Über 40'000 Hürlimann-Traktoren wurden seit 1929 gebaut. In Grau, Grün oder Rot und mit blitzendem Chrom. Auch wenn Hürlimann seit 1979 zum italienischen SDF-Konzern gehört und die Traktoren nicht mehr in Wil SG gebaut werden, sondern im norditalienischen Treviglio (bis 140 PS) und im süddeutschen Lauingen.
Doch Hans Hürlimann (76), Sohn des Gründers Hans Hürlimann sen., hat nie bereut, dass er die Firma 1978 an die Familie Carozza verkaufte. Damals gehörten der Familie die Traktorenmarken Same und Lamborghini, heute gehört neben Hürlimann auch noch Deutz-Fahr dazu. Alles unter dem «Dach» des SDF-Konzerns.
In den 1970er-Jahren stiess die Traktorenfabrik Hürlimann in Wil SG nämlich im wörtlichen an die Grenzen, nämlich an jene des zu kleinen Schweizer Marktes und der zu teuren Produktion in der Schweiz.
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Die revolutionären Hürlimann-Motoren kamen in die Jahre
Zudem kamen die früher revolutionären Hürlimann-Motoren vom hausinternen Motoren-Genie Ariste Liengme langsam in die Jahre. Hans Hürlimann sen. hatte Liengme 1935 engagiert. Und dieser arbeitete weit über seine Pensionierung bis zu seinem Tod 1969 bei Hürlimann.
So kamen die Familie Carozza und die Familie Hürlimann zusammen. Doch Hürlimann hatte auch eine langjährige Beziehung zu Saurer im nahen Arbon TG.
Hürlimann und Saurer entwickelten mit dem Know-how von Hürlimann und der Finanzkraft von SDF im Rücken für 20 Mio Franken eine neue Motorengeneration wassergekühlter Diesel. Diese funktionierte im Baukasten-Prinzip mit drei, vier, fünf und sechs Zylindern.
Mit dem Verkauf an SDF sicherte Hürlimann die Existenz der Händler
Das war vor genau vierzig Jahren. Damals präsentierten Hürlimann und SDF gemeinsam die neue Traktoren-Linie in zeitgeistig-eckigem Design. Anfangs wurde die H-Baureihe teilweise noch in Wil montiert. In halbfertigem Zustand wurden die Traktoren per Bahn zwischen Treviglio und Wil hin und her transportiert.
Erst mit dem Vollausbau der neuen Fabrik in Treviglio und dem dramatischen Rückgang des Traktorenmarktes anfangs der 1980er-Jahre wurde die Hürlimann-Produktion in Wil geschlossen. Das Zusammengehen mit Hürlimann brachte der SDF-Gruppe neue, leistungsstarke Motoren. Hürlimann wiederum konnte den Namen und vor allem das Händlernetz sichern.
«Das waren rund 80 Familienbetriebe, die unsere Traktoren verkauft haben. Die hätten nicht einfach auf eine andere Marke wechseln können», erklärt Hans Hürlimann. «Zudem hatten wir das schlechte Beispiel der Bührer Traktoren vor Augen. Die wurden an Rapid verkauft und dann trotz grossen Investitionen nach ein paar Jahren geschlossen. Das wollten wir vermeiden».
Hürlimann baute in Wil SG den Rolls-Royce der Traktoren
Auf die die Idee, Traktoren zu bauen war Hans Hürlimann sen. schon früh gekommen. Als Bauernsohn kannte er die Landwirtschaft, interessierte sich aber auch für Technik. Er sah die laufende Mechanisierung, aber praktisch nur mit Zugmaschinen. Fast alle anderen Arbeiten geschahen noch immer von Hand oder mit Pferden.
Hans Hürlimann sen. erfand deshalb den weltweit ersten Mäh-Traktor, den er mit einem Mäh-Balken von Aebi ausrüstete. Mähen von Hand war zu mühsam, aber Mähen mit den ersten Pferdezugmaschinen gleichzeitig aufwändig und zu teuer.
Doch bald wuchsen die Hürlimann-Maschinen und es kamen auch Schlepper dazu. Ab 1936 baute Hans Hürlimann eigene Motoren. Zuerst waren das Benzinmotoren, dann Benzin-Petrol-Motoren, die mit Benzin starteten und – einmal warmgelaufen – auf das billigere Petrol umgeschaltet wurden.
Hans Hürlimann sen. war ein Perfektionist, der jede Schraube kontrollierte
Hans Hürlimann sen. vertraute nur Teilen, die er selber herstellte. Eine möglichst grosse Fertigungstiefe ist Hürlimann bis heute wichtig. Das galt nicht nur für Motoren und Getriebe, sondern auch für Seilwinden und bis hin zu speziell gefertigten Reifen und Motor-Eggen.
1939 präsentierte Hürlimann mit dem ersten Diesel-Direkteinspritzer eine Weltneuheit. Und Hans Hürlimann sen. zog mit seiner Firma in Wil in eine neue Fabrik mit edlem Bürogebäude im Bauhaus-Stil (heute der Sitz des Transportunternehmens Larag).
Nach dem Krieg konnte Hürlimann seine damals grau lackierten Traktoren gut ins zerstörte Frankreich verkaufen. Dort waren grössere Maschinen gefragt, von denen in der Schweiz aus topographischen Gründen jeweils nur gerade eine Handvoll abgesetzt werden konnten.
In der Schweiz genoss Hürlimann bis März 1958 den Schutz vor der Konkurrenz durch hohe Einfuhrzölle und Kontingente. Denn schon damals zeichnete sich ab, dass Hürlimann mit den kleinen Serien und den hohen Schweizer Preisen auf die Dauer nicht konkurrenzfähig produzieren konnte.
Die rote Farbe erhielten Hürlimann-Traktoren vom Schweizer National-Circus Knie
Zudem war Hans Hürlimann sen. ein Perfektionist durch und durch. «Er hat darauf geachtet, dass alle Schlitze der Schrauben genau ausgerichtet waren und alle Fugen haargenau passten», erzählt Sohn Hans. Und er erfüllte Sonderwünsche, welche die Kunden zwar bezahlen mussten, bei denen aber nicht klar war, ob die Firma letztlich etwas daran verdiente.
Besonders am Herzen lagen Firmengründer Hürlimann sen. die Traktoren für den Schweizer National-Circus Knie, der bis heute ausschliesslich Hürlimann-Traktoren fährt. Viele Bauern konnten sich nur selten ein Vergnügen leisten. Und wenn, dann besuchten sie den Zirkus, vor allem der Pferde wegen. Da konnten die Bauern mitreden, das war ihre Welt. «Und dann sehen sie da unsere Traktoren und wollen auch einen», pflegte Hans Hürlimann sen. zu sagen.
Der Zirkus Knie hatte einen leuchtenden Rot-Ton für seine Traktoren. Darauf kamen die Chromleisten am Kühler besonders gut zur Geltung.
Die Berner Bauern wollten grüne Hürlimann-Traktoren
Rot war denn auch ab 1959 die Hürlimann-Farbe. Aber nicht überall. Vor allem die währschaften Berner Bauern, die lange an ihren grossen Pferde-Gespannen hingen, stellten nur ungern auf Traktoren um.
Ein beliebtes Argument der Berner Bauern gegen einen roten Traktor war dann: «Wir haben einen bösen Stier und der könnte ja auf einen roten Traktor losgehen». Deshalb fuhren die Hürlimann-Traktoren vor allem im Kanton Bern lange in Grün. Und nach verschiedenen Farbumstellungen werden seit 2013 alle Modelle wieder im «Berner» Hürlimann-Grün mit rot lackierten Felgen ausgeliefert.
Hans Hürlimann erzählt das alles in seiner Traktoren-Sammlung in Wil, die in einem ehemaligen Carrosserie-Spritzbetrieb untergebracht ist. Hier hängen die allerersten technischen Zeichnungen seines Vaters, signiert noch mit «Johann Hürlimann».
Und hier steht der erste Hürlimann-Traktor, der kleine Mäh-Traktor 1 K 8 mit acht PS. Ein paar Meter daneben steht auch das letzte in Wil gebaute Modell, ein grosser T 9200 A mit 92 PS. Der Allrad-Traktor stammt aus der letzten Serie und man sieht die ganze Sorgfalt und maschinenbauerische Leidenschaft an, welche die Mechaniker in Wil hineingesteckt haben.
Doch so schön und robust die Hürlimann-Traktoren aus Wil auch waren, immer weniger Bauern wollten oder konnten den hohen Preis für einen Schweizer Traktor bezahlen. Schon 1972 kostete ein Hürlimann-Traktor 40'000 Franken. Das wären heute 110'000 Franken für einen 45-PS-Traktor oder 2440 Franken pro PS. Mehr als doppelt so viel wie die 1000 Franken pro PS, die heute als Faustregel gelten. Günstigeren Hersteller liegen heute sogar deutlich unter dieser Marke.
Der stattliche Hürlimann Synchromatic mit 85 PS war je nach Ausstattung noch teurer. Er verfügte über ein vollsynchronisiertem 12-Gang Getriebe – in einer Zeit, in der auch normale Autos routinemässig mit Zwischengas geschaltet werden mussten.
Bei SDF haben die Hürlimann-Traktoren immer noch eine Sonderstellung
In seiner Sammlung hat Hans Hürlimann nur die seltensten Hürlimann-Traktoren. Alle sind perfekt restauriert und sehen aus, wie wenn sie frisch aus der Fabrik gerollt wären. Kein Kratzer, keine Beule, alle Schrauben exakt ausgerichtet. So akkurat werden normalerweise nur historische Luxus-Limousinen von Düsenberg oder Bugatti restauriert, die über 1 Mio Franken kosten.
Hans Hürlimann erzählt gerne die Geschichte seiner Firma und hält engen Kontakt zu den Oldtimer-Vereinen wie dem Hürlimann-Club Schweiz. Er pflegt aber auch die Verbindung zu SDF, zu den Hürlimann-Händlern und zur Familie Carozza. Seine Meinung zählt im Konzern und Hans Hürlimann ist stolz darauf, dass es neu auch die grossen Traktoren mit 165 bis 250 PS als Hürlimann gibt.
Bei SDF stattet man die Hürlimann-Traktoren immer ein bisschen umfangreicher aus, als deren Brüder mit der silbernen oder grünen Lackierung. Dieses oder jenes Detail kommt etwas edler daher, als bei den andern Konzern-Marken.
Das ist man dem Perfektionismus von Gründer Hans Hürlimann sen. schuldig. Die neuen Maschinen aus Treviglio oder Lauingen sollen schliesslich neben den schönen Oldtimern nicht billig aussehen.
Grün und blitzendes Chrom gibt es auch an den modernsten Hürlimann-Maschinen. Das gehört dazu. Auch 90 Jahre nach der Gründung und 40 Jahre nach dem ersten gemeinsamen Traktor mit SDF.