Kurz & bündig
- «die grüne» besuchte 2020sechs Landwirtschaftsbetriebe mit Melkrobotern.
- Die Betriebe setzen Melkroboter aller Markt-Akteure in der Schweiz ein.
- Die Betriebe wurden von den Händlern der jeweiligen Marke ausgewählt.
- Alle besuchten Betriebsleiter sind zufrieden mit dem automatischen Melken und würde wieder in diese Technik investieren.
In der Schweiz werden heute bei Neubauten wie auch bei Umbauten meistens Melkroboter eingerichtet. Lely, Delaval, GEA, LemmerFullwood, Boumatic und System Happel heissen die Hersteller. Viele Landwirte sind auf dem Betrieb stark ausgelastet und wollen auf die Routinearbeit des morgendlichen und abendlichen Melkens verzichten.
Unsere Melkroboter-Serie hat gezeigt, dass durch den Wegfall der Melkarbeit kein Landwirt die freie Zeit auf der faulen Haut verbringt.
Im Gegenteil: Melkroboter erfassen während des Melkvorgangs viele Tierdaten. Die Hersteller bieten hier von der Messung der Tierbewegungen bis zur Analyse der Milchinhaltsstoffe unzählige Möglichkeiten an, mit denen die Tierbetreuung unterstützt wird.
Mit den Daten des Roboters lernt ein Landwirt die eigenen Kühe erst richtig kennen, wenn diese mit den eigenen Beobachtungen verglichen werden. Macht eine Kuh einen schlappen Eindruck, weiss dies der Roboter meistens, bevor der Landwirt eine Veränderung am Tierverhalten feststellt. Vielleicht hat der Roboter gemerkt, dass die Kuh an Gewicht verloren hat, die Milchmenge sinkt oder die Melkhäufigkeit abnimmt oder alles zusammen. Die Tierdaten und die eigenen Beobachtungen ermöglichen hier eine rasche und zuverlässige Beurteilung über die Gesundheit einer Kuh, weil Abweichungen vom normalen Verhalten schneller erkannt werden. Das hat den Vorteil, dass der Landwirt früher mit der Behandlung des Tieres beginnen kann.
Tiere können gezielter beobachtet werden
«Durch das frühe Erkennen kann beispielsweise mit einer homöopathischen Behandlung mehr erreicht werden, als wenn man erst später reagiert», erklärt Samuel Imboden von der Betriebsgemeinschaft Agrino in Remetschwil AG.
Wie jeder andere der besuchten Betriebsleiter hat auch er die Tierbeobachtung dank der Arbeitsentlastung intensiviert und kennt seine Kühe heute besser als zu jener Zeit, als er diese zweimal täglich selbst gemolken hat. Auf Anhieb würde man hier eher das Gegenteil erwarten, weil man nicht mehr täglich jedes Tier berührt.
Es ist also nicht so, dass die Tierbeobachtung zum grössten Teil dem Melkroboter und seiner Sensoren überlassen wird. Auch die Sensorik des Landwirts wird gestärkt, wenn mehr Zeit für die Tierkontrolle bleibt. Und diese Zeit wird sehr gezielt eingesetzt.
Die meisten Tiere einer Herde haben selten oder nie ein Problem. Diese benötigen weniger Aufmerksamkeit als die sensibleren Kühe, auf welche man den Schwerpunkt bei den Beobachtungen legen kann. «Die Tierbeobachtung und die Roboterdaten ergeben eine sichere Grundlage, um die richtigen Entscheide zu treffen», bekräftigt Urs Reimann aus Wölflinswil AG.
Die Herde muss nicht mehr herumgeschoben werden
Alle Landwirte haben ihre Kühe vorher manuell gemolken, mit Rohrmelkanlagen oder in einem Melkstand. Sie haben nicht nur die Erfahrung mit dem Melkroboter. Im Vergleich zur früheren Situation wird generell von einer ruhigeren Herde gesprochen. «Vorher mussten wir die Tiere abends und morgens in den Warteraum vor dem Melkstand treiben. Das ist vor allem für rangtiefere Tiere ein Stress», so Landwirt Daniel Baumberger aus Wiggiswil BE.
Diese Kühe würden sich nun so organisieren, dass sie dann zum Melken gehen, wenn der Andrang am geringsten ist. Warten mehrere Kühe vor dem Roboter, setzt sich immer die stärkste durch. Die Beobachtungen auf den Betrieben haben jedoch gezeigt, dass sich die Tiere in einer Herde den Ablauf selbst organisiert haben. Selten gab es ein Gedränge oder mehrere Kühe wollten gleichzeitig zum Melken. Am Ende des Tages sind dennoch alle Kühe genügend gemolken. Die meisten Betriebe verzeichneten durch-schnittlich um 2,5 Melkungen oder mehr pro Tier innert 24 Stunden.
Den Kühen möglichst viele Freiheiten lassen
Ein sogenannt freier Tierverkehr ist in Zusammenhang mit einem Melkroboter ein grosses Thema. Bei einem freien Tierverkehr können sich die Kühe ohne Einschränkungen im Stall bewegen. Von der Liegebox zum Fressgitter, in den Auslauf oder sogar auch auf die Weide. Es bleibt dann ihnen überlassen, wann sie die Melkbox besuchen. Wenn dies funktioniert, haben die Kühe die grösste Freiheit.
Im gelenkten Tierverkehr können die Kühe nur via Melkbox oder zusätzlichem Selektionstor von der Liegefläche zum Fressgitter. Wenn eine Melkung fällig ist, bleibt der Kuh dann nur der Weg via Melkbox, um letztlich an das Fressgitter zu gelangen.
Hier kann man mehr Einfluss nehmen und die Tiere etwas straffer führen und kontrollieren. Beim gelenkten Tierverkehr werden sie an der kurzen Leine gehalten und geniessen weniger Freiheiten.
Der gelenkte Tierverkehr kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn der Melkroboter stark ausgelastet ist und es zügig gehen muss. Aus diesem Grund gingen die besuchten Betriebe gezielt nicht an die Leistungsgrenze des Roboters und konnten in den allermeisten Fällen die Kühe dem freien Verkehr überlassen.
Es kann dann zwar vorkommen, dass eine Kuh eine überfällige Melkzeit hat. Hier nahmen sich die Betriebe die Mühe, diese Tiere von Hand in die Melkbox zu führen.
In diesem Zusammenhang hat es sich auch gezeigt, dass Kühe bei ihren Landwirten eine hohe Wertschätzung geniessen. Diese bewegen sich gerne in der Herde und führen bei Bedarf ein Tier am Halsband zur Melkbox.
Der Charakter von Kühen bringt Landwirte auch immer zum Schmunzeln. Marcel Luder aus Oftringen AG ist sogar stolz auf eine seiner älteren Kühe, welche stur nur morgens und abends melken will, wie sie es sich vom Anbindestall gewohnt war. Die Dame wartet jeweils mitten im Stall, bis sie von ihrem Chef abgeholt und in die Melkbox begleitet wird. Und ihre Tochter, die nur den Melkroboter kennt, macht es ihr genau nach.
Arbeitsbeginn im Büro statt im Melkstand
Zusammen mit dem Melkroboter hat sich der Tagesablauf für die Landwirte verändert. Anstatt die Kühe morgens in den Melkstand treiben, schauen sie am Rechner im Büro die aktuellsten Daten an. Je nach Hersteller und Programm werden die wichtigsten Meldungen aufgelistet und Abweichungen markiert. Hier können die Darstellungen individuell für jeden Betrieb passend eingestellt werden, wie es für das Tiermanagement am besten passt.
Der Landwirt kann sich anschliessend gezielt diesen Tieren widmen, welche eine Abweichung ihrer üblichen Daten aufweisen. Vielleicht hat das Programm eine Brunst ermittelt, die in der Nacht nicht gesehen wurde. Jetzt kann der ideale Besamungszeitpunkt bestimmt werden.
Ein Melkroboter hilft auch, Arbeitsspitzen zu brechen. So muss beispielsweise während der Ernte die Feldarbeit nicht unterbrochen werden, um die Kühe zu melken. Alle Landwirte waren zufrieden mit ihrem Melkroboter und würden nicht mehr darauf verzichten wollen.
Die vorgestellten Betriebe wurden von den Lieferanten ausgewählt und gehören sicher zu den Vorzeigebetrieben, bei denen es besonders gut läuft.
Es zeigt jedoch, dass die Technik aller Hersteller funktioniert. Allerdings ist es auch sehr wichtig, dass sich der Landwirt mit der Technik befasst, um die Komplexität einer solchen Anlage zu verstehen. Wer einen Melkroboter montiert und nichts mehr damit zu tun haben will, wird scheitern.
Es gibt viele äussere Einflüsse, welche die Funktion beeinträchtigen können: Seien es Schwanzspitzen, welche das Roboterauge falsch als Zitzen identifiziert. Oder eine Sonneneinstrahlung direkt ins Aktionsfeld des Melkarms, welche die Kamera irritiert. Ein Melkroboter beinhaltet sehr viel Technik, welche Störungen verursachen kann.
Dies scheinen jedoch alle Hersteller gut im Griff zu haben. Horrorgeschichten, wonach der Roboter dauernd Störungen auf das Handy meldet, kennt keiner der besuchten Landwirte. Und wann sie wegen einer Störung nachts letztmals aufstehen mussten: Bei dieser Frage musste jeder länger überlegen. Dennoch empfiehlt jeder der Landwirte, dass nicht nur der Betriebsleiter allein für die Funktion der Technik verantwortlich sein sollte, um das Handy für Störungsmeldungen auch mal abzugeben.
DeLaval: mit Labor
Der DeLaval Melkroboter VMS V 310 kann die Milch wie ein Labor analysieren. Anhand des Progesteron-Levels kann beispielsweise der Zyklus der Kuh erkannt werden.
Der Melkvorgang startet mit einem Vorbereitungsbecher, der die Zitzen reinigt und stimuliert. Der Ansetz-arm setzt den Vorbereitungs- und die Melkbecher mit einem Livebild-Kamerasystem an. Der Ansetzarm kann zwischen den Melkbechern hindurch greifen und einen hinteren Viertel schnell erreichen. Wird ein Melkbecher abgetreten, wird nur dieser wieder neu angesetzt.
Der DeLaval VMS 300 kostet rund 185 000 Franken. Die Zusatzaus-rüstung (VMS V 310) zur Messung des Progesteron-Levels kostet rund 25 000 Franken.
Die Lely-Tierwaage
Die Lely-Tierwaage misst täglich das Gewicht der Kühe. Der Gewichtsunterschied erlaubt zusammen mit dem Fett- und Eiweissgehalt einen Rückschluss auf einen möglichen Fettabbau. Gemäss Lely handelt es sich um das frühestmögliche Warnsystem vor Ketose. Dadurch kann die Fütterung angepasst werden, bevor allenfalls Ketose-körper freigesetzt werden. Weitere Daten, die der Roboter ermittelt und der Landwirt täglich kontrolliert:
- Milchtemperatur
- Wiederkau- und Brunstaktivität
- Fressminuten
- Milchfarbe
Der Lely Astronaut A5 Melkroboter kostet je nach Ausstattung zwischen 160 000 und 240 000 Franken.
GEA: Becher für alles
Der Inline-Melkbecher von GEA erledigt alles in einem Becher. Der Becher wird angesetzt, reinigt und trocknet die Zitzen. Der Milchfluss erfolgt einzeln mit jedem Viertel, wo verschiedene Parameter der Milchqualität gemessen werden. Anhand der Werte wird das Viertelgemelk in den Sauber-Tank, für die Kälber oder ins Gülleloch gleitet.
Nach dem Melkvorgang wird ein Zitzen-Dippmittel eingesetzt und der Melkbecher abgenommen. So muss pro Zitzen nur einmal ein Becher angehängt werden. Dies beschleunigt den Prozess und der Melkarm bewegt sich weniger unter der Kuh. Der Preis der GEA Monobox Dairy Robot R 9500 liegt je nach Ausstattung zwischen 180 000 und 220 000 Franken.
Heisser Merlin
Der Melkroboter Merlin von Lemmer Fullwood senkt dank seiner «Kochendwasser»-Reinigung den Reinigungsmittelbedarf und der Reinigungsprozess beschleunigt sich. Alle milchführenden Teile werden während mindestens zwei Minuten auf 77 Grad erhitzt und desinfiziert. Eine saure Lösung wird zudosiert, um Ablagerungen zu vermeiden. Auf herkömmliche Reinigungs- und Desinfektionsmittel kann verzichtet werden.
Der Reinigungsvorgang dauert nur sechs Minuten, weil es weniger Spülgänge braucht, um Reinigungsmittel-Rückstände zu beseitigen. Auch der Wasserverbrauch ist laut Lemmer Fullwood geringer. Der Merlin-Melkroboter von Lemmer Fullwood kostet je nach Ausstattung
ab 150 000 Franken.
Boumatic melkt hinten
Boumatic ist der einzige Hersteller, welcher das automatische Melken von hinten anbietet. Der Roboterarm soll so besser vor Kuhtritten geschützt sein. Der Melkroboter wird als Modul in einer kompakten Einheit, bestehend aus Melkbox und Technikraum gebaut.
Der Boumatic-Gemini-Melkroboter kann zu einer Doppelbox erweitert werden. Ein Arm kann dann zwei Boxen bedienen. Damit wird er besser ausgelastet und die Leistung kann um das 1,5-fache gesteigert werden. So kann die Lücke zwischen 65 und 100 Kühen geschlossen werden.
Der Boumatic-Gemini-Melkroboter kostet montiert rund 180 000 Franken. Der Preis variiert je nach Ausstattung und Optionen.
Happel: Industrieroboter melkt schonend
Der Melkroboter Aktiv Puls Robot von System Happel basiert auf industrieller Robotertechnik. Der Roboterarm ist entsprechend robust ausgeführt und neben der Melkbox platziert.
Während des Melkvorgangs schwenkt der Arm in seine Ausgangsposition zurück. Optional kann der Roboterarm auf der anderen Seite eine zweite Melkbox bedienen.
Alle melktechnischen Einrichtungen befinden sich ein einer Technik-Einheit neben der Melkbox.
Während des Melkvorgangs wird das Vakuum entlastet, was das Gewebe schont und das Euter entlastet. Der Melkroboter Aktiv Puls 2020 von System Happel kostet rund 210 000 Franken.