Kurz & bündig

- Entscheidend für die spätere Leistungsfähigkeit ist es, dass die Kälber in der Tränkeperiode möglichst hohe tägliche Zunahmen erreichen.
- Vollmilch enthält wenig Spurenelemente und Vitamine; Milchaustauscher können bei hohen täglichen Mengen wegen des hohen Laktosegehaltes Probleme bereiten.
- Mindestens neun Liter Milch pro Tag und eine Tränkeperiode von zehn bis zwölf Wochen fördern ein intensives Wachstum.

Die erfolgreiche Kälberaufzucht ist eine entscheidende Grundlage für die Remontierung von hochleistenden und langlebigen Milchkühen bei gleichzeitig niedrigem Erstkalbealter. Damit wird wesentlich die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion beeinflusst. Umso mehr überrascht es, dass auf vielen Milchviehbetrieben der Kälberaufzucht nicht die notwendige Bedeutung beigemessen wird. Entsprechend sind die Aufzuchtergebnisse häufig unbefriedigend.

Bislang standen stets zwei Zahlen im Fokus, nämlich die Totgeburtenrate (d. h. der Anteil der Kälber, die entweder tot geboren wurden oder am ersten Lebenstag verenden) und die Abgangsrate (d. h. der Anteil der lebend geborenen Kälber, die während der Tränkeperiode verenden). Beide sollten jeweils unter 5 % liegen.

Heute aber wissen wir, dass es nicht ausreicht, dass Kälber irgendwie die Tränkeperiode überleben – entscheidend für die spätere Leistungsfähigkeit ist es, dass die Kälber in der Tränkeperiode möglichst hohe tägliche Zunahmen erreichen. Nur dann ist die sogenannte «metabolische Programmierung» gewährleistet, die für überdurchschnittliche Leistungen als Masttier oder Milchkuh sorgt.

Gute Biestmilchversorgung und saubere Aufstallung

Die dritte Kennzahl für eine erfolgreiche Kälberaufzucht ist entsprechend, dass mindestens 75 % der Aufzuchtkälber während der Tränkeperiode Zunahmen von mehr als 750 g/Tag erreichen. Ist das ein sehr hoher Wert? Nein – sind die Umwelt-, Fütterungs- und Haltungsbedingungen auf dem Geburtsbetrieb gut, so nehmen auch Kälber der milchbetonten Rassen problemlos täglich zwischen 750 und 1000 g zu.

Voraussetzung dafür sind eine gute Biestmilchversorgung, eine saubere Aufstallung mit viel Stroh und damit ein niedriger Infektionsdruck sowie die unverzichtbar gute Betreuung der Kälber.

Und wenn wir das geklärt haben und die Biestmilchversorgung als mit Abstand wichtigster Garant der Gesundheit optimiert wurde – spätestens dann erreichen uns die Anfragen: Milch oder Milchaustauscher? Viel oder wenig? Lange oder nur kurze Tränkeperiode?

Was ist besser: Milch oder Milchaustauscher?

Ganz einfach – man kann mit beiden Systemen erfolgreich Kälber aufziehen. Doch es gibt jeweils Vor- und Nachteile, auf deren Grundlage man für den eigenen Betrieb die optimale Lösung finden sollte.

Vollmilch hat den Vorteil, dass das Verdauungssystem des Kalbes perfekt an deren Zusammensetzung angepasst ist. Die Zusammensetzung der Vollmilch unterscheidet sich erheblich von der eines handelsüblichen (guten) Milchaustauschers (siehe Tabelle «Vergleich Gehalte»). In Milch ist Fett der wichtigste Energieträger, während die Energie im Milchaustauscher vor allem vom Milchzucker (Laktose) stammt. So überrascht es nicht, dass der Energiegehalt der Vollmilch auf Basis der Trockensubstanz etwa 25 % höher ist als der eines Milchaustauschers.

Gleichzeitig besteht das Eiweiss in der Vollmilch zu etwa 80 % aus Casein. Passend dazu hat das Verdauungsenzym Chymosin im Labferment des Kalbs die quantitativ wichtigste Bedeutung. In Austauschern mit hohem Anteil an Magermilchpulver ist die Caseinmenge deutlich geringer, während Molkenproteine dominieren. Deren Verdauungsenzym Pepsin ist jedoch in kleineren Mengen vorhanden.

Bei der Verträglichkeit spielt zudem das Alter eine Rolle: je jünger das Kalb, desto problematischer ist das Vertränken von grösseren Mengen an Molkenprotein. Und pflanzliche Proteinträger (wie Sojaproteinkonzentrat oder Weizenproteinhydrolysat) sollten bei Kälbern in den ersten Lebens-wochen ohnehin gemieden werden.

Bei Vollmilchfütterung braucht es Aufwerter oder Booster

Aber Vollmilch hat auch Nachteile: Die Konzentrationen an vielen Spurenelementen (wie Eisen und Selen) und fettlöslichen Vitaminen sind nicht ausreichend für ein optimales Wachstum. Um dies auszugleichen, empfiehlt sich bei Vollmilchfütterung in den ersten Lebenswochen das Zumischen eines sogenannten Vollmilchaufwerters oder zumindest die Verabreichung eines Kälber-Boosters am zweiten Lebenstag.

Milchaustauscher haben demgegenüber den Vorteil, dass diese Defizite der Vollmilch durch den gezielten Zusatz von Spurenelementen und Vitaminen ausgeglichen werden. Auch der für Austauscher übliche Zusatz von Säuremischungen, Antioxidantien und bestimmten Bakterien, die die Vermehrung schädlicher Mikroorganismen hemmen sollen (sog. Probiotika), hat durchaus positive Effekte auf die Verdauungsvorgänge beim Kalb.

Und noch etwas: Vollmilch für die Kälberfütterung muss hygienisch einwandfrei sein. Die Milch euterkranker «Millionärinnen» der Herde und antibiotikabelastete Sperrmilch sind keine adäquaten Futtermittel – gegebenenfalls ist es viel besser, sich auf die konstante Zusammensetzung eines hochwertigen Milchaustauschers zu verlassen.

Viel oder wenig Milch vertränken?

Da ist die Antwort einfach: lieber ein bisschen zu viel als viel zu wenig! Ein intensives Wachstum, wie wir es uns wünschen, erfordert das Vertränken von mindestens neun Liter Milch pro Tag. Berücksichtigt man, dass ein Liter Milch bezüglich des Energiegehalts etwa 160 g Milchaustauscher (MAT) entspricht, so müssen entsprechend etwa 1,4 kg pro Kalb und Tag vertränkt werden.

Derartig hohe Mengen an MAT erreicht man nur mit mindestens 140 g MAT pro Liter Wasser; im Einzelfall können dann unter anderem aufgrund des hohen Laktosegehalts der MAT eventuell schon Probleme auftreten.

Die Kälber lange oder kurz tränken?

Grundsätzlich gilt, dass ein Wachstumseinbruch beim Abtränken verhindert werden muss – insofern hat sich eine zehn- bis zwölfwöchige Tränkeperiode bewährt. Dabei werden in den ersten vier bis sechs Wochen die erwähnten grossen Milchmengen vertränkt.

Sobald die Beifutteraufnahme bei mehr als einem Kilo pro Tag liegt, kann dann die Milchmenge recht zügig reduziert werden.

Und was gilt es sonst noch zu beachten?

Je langsamer Kälber trinken, desto intensiver wird die Milch eingespeichelt – das wiederum begünstigt die Verdauung der Milch. Stets sollte man bedenken, dass Kälber, die an der Mutterkuh nuckeln, für die Aufnahme von einem Liter Milch aus dem Euter mehr als fünf Minuten benötigen. Entsprechend sind Kreuzschlitz- oder Vitalsauger besonders ratsam, während die Aufnahme der Milch aus dem offenen Eimer unnötige Risiken birgt.

Und schliesslich sollte man beim Tränken der Kälber nie die drei R vergessen: Ruhe, Regelmässigkeit und Reinlichkeit sind von grosser Bedeutung. Sie ermöglichen, was wir alle uns wünschen: frohwüchsige, gesunde und vitale Kälber während der Tränkeperiode!