Kurz & bündig
- Kälberflechte ist eine Faktorenkrankheit, die zeigt, dass das Immunsystem der Kälber überfordert ist.
- Vorbeugen ist viel effizienter und einfacher als Behandeln.
- Wichtig sind:
-> Immunsystem stärken (Kolostrum-Management, Tränkemenge, Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen).
-> Überbelegung und Sporendruck reduzieren.
-> UV-Licht und Austrocknung bei der Pilzbekämpfung ausnutzen.
-> Impfung korrekt einsetzen und Zeit lassen für den Aufbau des Immunschutzes.
Der 5-jährige «Jungbauer» – hier Mario genannt – sitzt auf seinem Spielzeug-Traktor und beobachtet seine Lieblinge – die Kälber. Dabei kratzt er sich gedankenverloren eine schuppige Stelle am Unterarm. Neben ihm stehen sein Vater und die Tierärztin und diskutieren über die Hautveränderungen bei den Kälbern.
Woher kommen die Pilze, welche die Tiere unruhig machen?
Dem Landwirt ist seit einiger Zeit das Problem der Kälberflechte in seinem Betrieb bekannt. Er hat daher angefangen, seine Aufzuchtkälber zweimalig dagegen zu impfen, wenn er sie in die Gruppe umstallt.
Leider hat das bisher wenig gebracht. Wenige Wochen nach dem Umstallen treten bei den Jungrindern die ersten typischen Hautveränderungen auf: Kreisrunde, haarlose, teils schuppige Stellen an Kopf und Hals. Beim Besuch durch die Tierärztin des Kälbergesundheitsdiensts KGD fällt daher auf, dass die Rindergruppe trotz aller Bemühungen die typischen Veränderungen zeigt – einige Tiere sind nur leicht, andere jedoch hochgradig betroffen.
Zusätzlich zum unschönen Erscheinungsbild der Jungrinder fällt dem Landwirt auf, dass die Tiere eher unruhig sind, sich häufig kratzen und lecken. Zudem nehmen sie nicht optimal zu und entwickeln sich langsamer. Und neuerdings kratzt sich nun auch der kleine Mario häufig eine kreisrunde Stelle an seinem Unterarm.
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Kälberflechte – was ist das eigentlich?
Beim Erreger der sog. Kälberflechte (auch Trichophytie genannt) handelt es sich um einen Hautpilz namens Trichophyton verrucosum. Obwohl Rinder den Hauptwirt darstellen, können auch andere Tierarten (gelegentlich Pferde) und insbesondere der Mensch befallen werden.
Es handelt sich also um eine Zoonose. Die Veränderungen haben ein sehr typisches Aussehen: Zunächst kleine, dann grösser werdende oval-runde haarlose Stellen, scharf begrenzt, teilweise zusammenlaufend und mit schuppigen oder auch krustigen Belägen. Im Gegensatz dazu sind Veränderungen durch Räudemilben oder Haarlinge eher unregelmässig und «Mottenfrass-ähnlich».
Es ist mehr als nur ein Schönheitsfehler
Meist beginnt die Kälberflechte im Kopf-Hals-Bereich und es sind mehrheitlich Kälber und Jungrinder betroffen. Gemäss Schätzungen treten Kälberflechten in der Schweiz in 28 bis 51 % aller Rinderbestände auf. Auf den ersten Blick erscheint die Kälberflechte nur wie ein «Schönheitsfehler» – sie ist aber weit mehr!
Durch den permanenten Juckreiz und das damit einhergehende Unwohlsein haben die betroffenen Tiere geringere Tageszunahmen, was sich wiederum in reduziertem Gewinn für den Tierhalter äussert. Hinzu kommen bei Masttieren die Abzüge für Hautschäden.
Kälberflechte ist eine Faktorenkrankheit und deutet darauf hin, dass auf dem Betrieb etwas nicht stimmt. Das Immunsystem der Kälber ist offenbar überfordert und kann dem gleichzeitig herrschenden, hohen Keimdruck nur ungenügend Widerstand leisten.
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Und was, wenn die Veränderungen schon da sind?
Sind die Kälber aktuell von Kälberflechte betroffen, empfiehlt es sich, die vorbeugenden Massnahmen sofort einzuleiten, die am Ende dieses Artikels im Kasten stehen. Zudem ist der auf dem Markt erhältliche Impfstoff auch als Behandlung einsetzbar, der Erfolg ist dann jedoch geringer. Die betroffenen Tiere werden dabei ebenfalls zweimal im Abstand von zwei Wochen per Injektion behandelt.
Zusätzlich ist beim Tierarzt eine Waschlösung zur lokalen Behandlung der betroffenen Hautstellen erhältlich. Es braucht dafür mehrmalige Behandlungen jeweils im Abstand von drei bis fünf Tagen.
Und warum wirkt nun die Impfung nicht?
Zurück zum Fall von Marios Kälbern: Diese wurden korrekt zweimal im Abstand von zwei Wochen geimpft, es sind aber dennoch massive Veränderungen eingetreten. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Impfung zwar korrekt durchgeführt wurde, aber zu spät stattgefunden hat. Die Aufzuchtkälber wurden jeweils erst beim Umzug in die Rindergruppe geimpft.
Dies hatte zur Folge, dass der Impfschutz erst einen Monat nach Umstallung vollständig aufgebaut war (zwei Wochen nach der Wiederholungsimpfung). Somit waren die frischen Kälber zu lange ungeschützt in der Gruppe dem hohen Sporendruck ausgesetzt und daher regelmässig erkrankt.
Auf dem Betrieb wurde im Anschluss wieder vermehrt auf die Kolostrumversorgung geachtet, die Tränkemenge für Kälber etwas erhöht sowie ein Kälberbooster eingesetzt. Und die Kälber werden neu bereits in den Doppel-Iglus zweimalig geimpft und erst nach Aufbau des Impfschutzes in die Rindergruppe umgestallt.
Seither ist das Problem fast vollständig aus dem Betrieb verschwunden und Marios Arm abgeheilt. Er darf nun wieder bedenkenlos seine Kälber hegen und pflegen.
Vorbeugen ist besser als Behandeln
1. Immunsystem stärken
Um Flechten erfolgreich zu bekämpfen, reicht es nicht, erst die sichtbar betroffenen Tieren zu behandeln, sondern man muss ganz vorne anfangen. Das Wichtigste ist, dass die Kälber früh und viel Kolostrum (mind. 4 Liter in den ersten 12 Stunden) erhalten und so ein Immunsystem aufbauen können. Zudem hat es sich bewährt, die Kälber zusätzlich mit Vitamin A, Selen, Eisen und Zink zu versorgen (z.B. mit einem Kälberbooster-Präparat), um so die Widerstandsfähigkeit der Haut zu stärken. Weiter ist es wichtig, die Kälber ausreichend zu tränken (ad libitum-Tränke oder mind. 8 Liter pro Tag), damit der ständige Hunger nicht zusätzlich zu Stress führt und so das Immunsystem belastet. Ebenfalls entscheidend ist, dass die Kälber permanent Zugang zu frischem Wasser, gut strukturiertem Heu (kein Emd) und Kälberflocken haben.
2. Überbelegung und Sporendruck reduzieren
Sind gleichzeitig viele von Flechten betroffene Kälber zusammen eingestallt, steigt der Sporendruck in der Umgebung massiv an. Sporen sind einzellige Entwicklungsstadien der Pilze, welche zur Vermehrung, Ausbreitung und Überdauerung von ungünstigen Umweltbedingungen dienen. Sie können sich entsprechend in jeder Ritze verstecken und sind nur mit speziellen Desinfektionsmitteln (Fungiziden) zu eliminieren. Daher ist es umso wichtiger, dass der Sporendruck möglichst gar nie zu stark ansteigt.
3. Physikalische Desinfektion nutzen
Sporen sind zwar nur mit wenigen chemischen Desinfektionsmitteln zu bekämpfen, sie sind jedoch empfindlich gegenüber Austrocknung und UV C-Strahlung. Dies kann man sich zu Nutze machen, indem Kälberboxen und -ställe regelmässig gemistet und gewaschen werden und anschliessend einige Tage leer stehen (Stallbrache). Dies ermöglicht eine vollständige Abtrocknung der Boxen.
UV C-Strahlung kann entweder über direkte Sonneneinstrahlung genutzt werden (Iglus nach dem Waschen aufklappen) oder aber in Form einer Lampe im Stall aufgehängt werden. Es wird dabei auf ca. 2,5 m über der Liegefläche der Kälber eine Lampe pro 20 m2 montiert, welche täglich sechs bis acht Stunden brennt. Wichtig ist dabei, dass die Lampe regelmässig von Staub befreit wird. Vorsicht, die direkte Bestrahlung auf das Auge des Menschen ist unbedingt zu verhindern. In der Praxis hat sich das Einbauen einer Zeitschaltuhr bewährt, so dass die UV C-Lampe jeweils in der Nacht für einige Stunden am Stück brennt.
4. Impfung einsetzen
Grundsätzlich entwickeln Tiere auch ohne eine Impfung eine Immunität gegen Kälberflechte im Verlauf des Lebens. Eine Impfung kann jedoch vollständig vor einer Krankheit schützen oder zumindest Dauer und Ausmass reduzieren. Wird die Impfung richtig eingesetzt, ist eine vollständige Tilgung der Erkrankung im Betrieb möglich. Die Tiere müssen dafür möglichst jung (im Alter von vier Wochen) geimpft und nach 14 Tagen nachgeimpft werden. Das Wichtigste ist jedoch, dass Kälber nicht einem hohen Sporendruck ausgesetzt werden, bevor der Impfschutz vollständig aufgebaut ist. Dies ist erst zwei Wochen nach der zweiten Impfung der Fall.