Rund 70 Prozent der befragten knapp 1200 Schweizer Milchbauern setzen Komplementär-Medizin bei ihren Milchkühen ein. Dabei setzen die Milchbauern vor allem auf Homöopathie, selbst hergestellte Heilmittel und Phytotherapie.

Dies ergab eine Studie der Agronomin Melanie Glaus aus Schlossrued AG. Glaus untersuchte im Rahmen ihrer Master-Arbeit an der HAFL den Einsatz von Komplementärmedizin in der Nutztierhaltung. Der Fokus lag auf Schweizer Milchvieh-Betrieben.

Die Studie ist repräsentativ für die Schweizer Milchvieh-Population

«Ich hatte knapp 1200 Rückmeldungen auf den Fragebogen», erklärt Melanie Glaus, «das entspricht einer Rücklaufquote von 17 Prozent, was gut ist». Die angeschriebenen 7000 Betriebe wählte Glaus mit Bedacht, «damit man aus den Ergebnissen eine Aussage für die ganze Schweiz machen kann.»

Die schweizweite Verteilung der angeschriebenen Betriebe entspricht der Milchstatistik. Bei den Betrieben handelt es sich um Ganzjahres-Betriebe mit mindestens 10 GVE. «Damit sind die Daten repräsentativ für die Schweizer Milchvieh-Population», ergänzt Glaus.

«Von den Milchbauern, die Komplementär-Medizin einsetzen, wenden über die Hälfte Homöopathie an», sagt Glaus, «das ist doch sehr erstaunlich, wenn man bedenkt, wie kontrovers Homöopathie diskutiert wird.»

Diejenigen Milchbauern, welche Komplementär-Medizin einsetzen, wenden folgende Methoden an:

  • Homöopathie (52 Prozent)
  • Selbst hergestellte Heilmittel (32 Prozent)
  • Phytotherapie (22 Prozent)

 

«Wer Homöopathie anwendet, setzt es zu 67 Prozent gegen Mastitis ein», erklärt Glaus. «Mastitis ist die Hauptkrankheit bei Kühen.» Weitere Top-Einsatzbereiche sind Verletzungen und die Zeit nach der Geburt.

Melanie Glaus hat auch die Gründe untersucht, warum Landwirte Komplementär-Medizin nicht einsetzen:

  • 36 Prozent sind nicht überzeugt.
  • 21 Prozent kennen die Behandlungsmöglichkeiten nicht.
  • 17 Prozent gaben an, dass der behandelnde Tierarzt Komplementär-Medizin nicht anbietet.

 

Auffällig sei auch die regionale Verteilung. «Die Westschweizer gaben zum grossen Teil an, dass sie die Behandlungsmethoden nicht kennen», erklärt Glaus. Deutschschweizer hingegen gaben an, von Homöopathie nicht überzeugt zu sein.

Globuli ausprobieren, weil es bei den Tieren der Berufskollegen wirkt

Etwas stutzig macht die Tatsache, dass 30 Prozent der Landwirte keine Ausbildung in Homöopathie oder Komplementär-Medizin haben. «Ich kann mir vorstellen, dass ein erheblicher Anteil dieser Landwirte etwas ausprobiert, weil es ein Berufskollege mit Erfolg angewendet hat», sagt Glaus. «Ein Verständnis für die angewendete Methode ist dann aber nicht vorhanden».Tierarzt Oskar Luder von der Praxis Duovet aus Säriswil BE bestätigt die Vermutungen von Melanie Glaus. Er habe immer wieder Kunden, die über Berufskollegen von einem Mittel erfahren.

«Hat eine Kuh eine leichtgradige Mastitis ohne Fieber und ohne Schmerzen, kann der Landwirt zunächst versuchen, die Kuh mit dem homöopathischen Mittel Phytolacca zu behandeln, ohne gleich Antibiotika einzusetzen», erklärt Luder. Dieses Mittel habe eine spezifische Wirkung gegen Mastitis, so dass der Landwirt nicht die ganze Theorie zu kennen brauche.

Mit Homöopathie den Antibiotika-Einsatz reduzieren

Luder sagt: «Bei regelmässiger Anwendung der Homöopathie im Stall empfehle ich den Besuch eines Einführungskurses in Homöopathie dringend.»

Die homöopathische Selbstbehandlung durch den Landwirt habe klare Grenzen und der Bestandes-Tierarzt sollte immer rechtzeitig beigezogen werden. Melanie Glaus hat ausserdem herausgefunden, dass Schweizer Landwirte Komplementär-Medizin vor allem einsetzen, um den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. «Und sie wollen Kosten sparen», ergänzt Glaus, «der Aufwand für die Beobachtung ist jedoch gross».

Das Management sei das wichtigste. «Tiere können nur gesund werden oder bleiben, wenn die natürlichen Bedürfnisse befriedigt sind, sauber gearbeitet wird und sich der Keimdruck entsprechend im Rahmen hält», sagt Glaus.

Homöopathie wird kontrovers diskutiert. Dennoch zeigt die Umfrage von Melanie Glaus, dass es die meist verbreitete Art der Komplementär-Medizin ist. «Es zeigt, dass sich die Schweizer Landwirte der Antibiotika-Resistenzen sehr wohl bewusst sind», sagt die Agronomin. «Die Landwirte wissen, dass Resistenzen eine Gefahr sind, für die öffentliche Gesundheit ein Problem darstellen und sie dagegen etwas tun können.»