Eric Meili, wie viele Betriebe haben eine Bewilligung für die Hof- und Weidetötung? Mit wie vielen Betrieben rechnen Sie, wenn die neue Verordnung in Kraft tritt?

Eric Meili: Aktuell gibt es sechs Betriebe mit Bewilligungen in den fünf Kantonen Zürich, Graubünden, Solothurn, Neuenburg und Zug, davon vier Bewilligungen für die Hof- und zwei für die Weidetötung.

Im Moment haben sich 74 Betriebsleiter aus 19 Kantonen gemeldet, die eine Bewilligung nach der neuen Verordnung wollen. Es kommen laufend neue dazu. Wenn es losgeht, rechne ich mit 100 bis 200 Betrieben. Die neue Verordnung nach der Revision soll im Verlauf des Jahres 2020 in Kraft treten.

Für welche Betriebe eignet sich die Hof- und Weidetötung?

Vor allem für Mutterkuh- und Weidemast-Betriebe, welche das Fleisch selbst vermarkten. Es gibt immer mehr Bauern-Gruppen, die sich mit einem Schlachthaus und einem Metzger zusammentun wollen. Und das ist sehr sinnvoll.

Wie erhält man eine Bewilligung?

Grundsätzlich kann jeder selber eine Bewilligung einholen. Man kann sich auch bei mir melden. Ich sammle die Adressen aller Interessierten, helfe beim Vernetzen und mache Beratungen. Eine gute Vorbereitung und die korrekte Einreichung der Anträge sind sehr wichtig. Ich werde Muster-Anträge erstellen, welche die Landwirte bei ihrem Veterinäramt einreichen können.

Was kosten die Beratungen?

Die Landwirte werden für die Beratung nichts zahlen müssen. Die Beratungen werden durch die Vontobel-Stiftung finanziert. Ausserdem werde ich QuNaV-Gelder des BLW beantragen. Das sind innovative Projekte, die durch den Bund gefördert werden.

Am liebsten mache ich Vorträge bei Landwirten, die sich vernetzen wollen. Das ist am effizientesten. Für nächstes Jahr sind schon vier geplant. Bei Einzelbetrieben gehe ich bei Bedarf vorbei.

Welche menschlichen Voraussetzungen braucht es für die Hof- und Weidetötung?

Es braucht eine gewisse Sozialkompetenz im Umgang mit den Behörden. Es braucht Hartnäckigkeit, aber man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand. Man braucht auch ein gewisses Selbstbewusstsein, wenn man sagt: «So, das mache ich jetzt.» Entgegen verschiedener Widerstände. Die Fleischindustrie hat überhaupt keine Freude an der Hof- und Weidetötung. Ist ja logisch. Wir haben nur noch ein paar Schlachthöfe in der Schweiz. Sie sind sehr gross und effizient. Aber auch die Veterinärbehörden sind wahrscheinlich wegen dem Aufwand nicht sehr begeistert.

Was ist ihr Problem?

Es ist viel aufwändiger. Sie müssen vielleicht Leute einstellen. Die Lebendtier-Schau wird auf den Höfen stattfinden. Das ist neu. Aber wenn man beim Tierschutz einen Fortschritt machen will, kostet das etwas.

In einem grossen Schlachthof braucht es einen Tierarzt, der die angelieferten Tiere begutachtet. Und einer für die Fleisch-Schau. That’s it! Hunderte Tiere pro Tag, das ist effizient. Aber bezüglich Tierschutz ist es nicht das Richtige. Denn jedes Tier, das im Schlachthof ankommt, ist gestresst.

Und wenn innerhalb von 45 Minuten kein Schlachthof erreichbar ist?

In der EU hat man 15 Minuten mehr Zeit, also 60 Minuten vom Entbluten bis zur Entnahme der Eingeweide. Im Moment ist noch unklar, wie lange dieser Zeitraum im neuen Gesetz ausgelegt wird. Wir arbeiten darauf hin, dass es in der Schweiz auch auf 60 Minuten erhöht wird. (Anmerkung der Redaktion: Bei 45 Minuten beträgt die effektiv mögliche Fahrzeit nur 20 bis 30 Minuten. Für das Entbluten und Laden müssen zirka 10 Minuten gerechnet werden, für die Entnahme der Eingeweide zirka 10 Minuten.)

Wenn man es in dieser Zeit aber trotzdem nicht schafft, braucht es eine mobile Schlachtanlage MSA. Diese ist auf einem Anhänger. Man kann darin die Haut abziehen und die Eingeweide rausnehmen. Im vorderen Bereich hat es eine Kühlanlage, in der man die Schlachtkörper aufhängen kann.

Ab Februar 2020 teste ich eine MSA, zusammen mit einem Bündner, der Bauer und Metzger ist. Es ist ein zweimonatiges praktisches Bewilligungs-Verfahren. In Deutschland ist diese MSA TÜV geprüft. Jetzt muss sie noch vom Veterinäramt geprüft werden.

Diese MSA kostet etwa 60 000 Franken. Wenn sie bewilligt wird, kann man in der ganzen Schweiz Hoftötungen durchführen.

Wo sehen Sie die Hoftötung in 20 Jahren?

Die Hoftötung wird sich durchsetzen – die Weidetötung weniger. Es ist komplizierter wegen dem Gewehr.

Meine Vision ist, dass sich auch die grossen Schlachthöfe Überlegungen machen müssen. Im Moment werden noch Tiere vom Unterengadin nach Oensingen gekarrt, und das wird zunehmend in der Bevölkerung diskutiert: «Kein Lebendtransport der Tiere!»

Ein Händler könnte die Schlachtkörper in der ganzen Region einsammeln und sie in die grossen Verarbeitungs-Betriebe bringen. Diese könnten sich dann auszeichnen mit «kein Lebendtiertransport». Das ist mein Traum.

Vorläufig wird das noch kein Thema sein. Jetzt wehren sie sich noch. Aber irgendwann kommt das. Beim Biolandbau haben sie sich gewehrt, bei der Weidemast. Sie wehren sich immer am Anfang.

Warum?

Weil sie ihre Systeme nicht anpassen wollen. Dort fehlt die Innovation.

Wird es ein Label für die Hof- und Weidetötung geben?

Wir haben uns das überlegt. Die Meinung der bestehenden sechs Betriebe ist, dass es kein Label braucht. Wenn man eine Bewilligung vom Veterinäramt hat, dann ist das das beste Label. Diese Bewilligung ist so streng und so gut überwacht. Die Bewilligung ist das Label an sich.

Ist die Hoftötung für den Landwirt teurer?

Ja. Der Landwirt muss für die Lebendtierschau auf dem Hof und für den Metzger aufkommen. Er muss bauliche Massnahmen treffen und muss einen Anhänger kaufen oder mieten. Die Mehrkosten kann ich noch nicht beziffern. Klar ist, dass man diese auf das Produkt abwälzt. Das Ziel ist, dass es nicht viel teurer wird.

Was sind die weiteren Schritte?

Der Bundesrat wird in den kommenden Wochen das neue Gesetz verabschieden. Das Inkrafttreten ist wahrscheinlich Mitte 2020. Dann wird es eventuell auch Weisungen geben.

Es ist noch unklar, wie das weitere Vorgehen ist: Ob es schon jetzt Weisungen gibt oder erst im Laufe der Zeit, wenn man Erfahrungen gesammelt hat. Bei diesen Weisungen wollen wir als IG Hof- und Weidetötung mitarbeiten können. Das FiBL bringt im Frühling 2020 ein detailliertes Merkblatt über die Hof- und Weidetötung heraus. Die neue Verordnung über die Hoftötung wird für alle Nutztiere gelten. Aber dort müssen wir zuerst Erfahrungen sammeln. Deshalb beschränkt sich das Merkblatt zu Beginn auf das Rindvieh.

 

Zur Person

Eric Meili ist seit 30 Jahren Berater am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Seine Haupt-Arbeitsgebiete sind Tierhaltungs-Projekte und Beratungen in der Schweiz und international, Bauberatungen, Betriebsplanungen sowie Verarbeitung und Märkte. Der 65-jährige vermarktet das Fleisch seiner Weiderinder direkt.

www.meilibeef.ch

 

 

 

Gefällt Ihnen, was Sie lesen?

Warum nicht mal drei Monate «schnuppern»? Für nur CHF 20.– erhalten Sie drei Print-Ausgaben plus Online-Zugriff
Gleich hier bestellen und bestens informiert bleiben