Kurz & bündig
- Die regenerative Landwirtschaft ist nicht genau definiert.
- Im wörtlichen Sinne heisst «Regenerativ» soviel wie: «(daraus) wieder entstehend bzw. wiederherstellend».
- Charakteristisch für das Konzept der regenerativen Landwirtschaft sind ihre Ziele: Die Wiederherstellung eines gesunden Bodens und die Rückgewinnung von Biodiversität.
- Damit trifft die regenerative Landwirtschaft den Nerv der Zeit – und wird wohl auch deshalb immer beliebter.
Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Um zu verstehen, worum es bei der regenerativen Landwirtschaft (RLW) geht, hilft ein Blick auf die fünf Prinzipien. Diese sind laut Agricultura regeneratio, dem Schweizer Verein für regenerative Land- und Ernährungswirtschaft, zentral:
- Geringe Bodenstörung: Reduzierte Bodenbearbeitung und minimierter Hilfsstoffeinsatz.
- Ständige Bodenbedeckung, zum Beispiel durch Untersaaten, Zwischenfrüchte oder Pflanzen-rückstände.
- Lebende Wurzeln im Boden lassen und damit das Bodenleben ernähren.
- Hohe Diversität in der Fruchtfolge und durch Förderung der Biodiversität.
- Integration von Tieren: Optimiertes Weidemanagement und Freilandhaltung von Nutztieren.
Diesen Prinzipien kann sich jeder Betriebsleiter verschreiben – egal ob er konventionell produziert oder nach den Richtlinien von Bio Suisse. RLW ist keine Marke, hat kein Pflichtenheft und ist demnach auch nicht verpflichtend.
Es wird auf ein Ziel hingearbeitet, wobei der Weg dorthin sehr individuell ist. Statt Massnahmen stehen die Wirkungen im Zentrum.
Die regenerative Landwirtschaft in der Schweiz
Natürlich schlägt auch die RLW Praktiken vor, mit denen die fünf Prinzipien auf dem Betrieb umgesetzt werden können. Beliebt sind:
- Massnahmen, die auch als «gute landwirtschaftliche Praxis» bezeichnet werden können. Dazu gehören eine diverse Fruchtfolge oder ein bedeckter Boden.
- Massnahmen, die – zumindest in der Schweiz und im Moment – noch eher eine Nische sind, wie beispielsweise Agroforst.
In der Schweiz kommen viele LandwirtInnen über Kursangebote mit der RLW in Berührung. Regenerativ Schweiz, die Lernplattform rund um RLW, verzeichnet mittlerweile über 250 Mitglieder allein in der Deutschschweiz, heisst es auf der Website.
Agricultura regeneratio ist der Verein, in dem sich regenerative Betriebe und Unternehmen organisieren. Dieser Verein gibt auch eine Marke heraus: «agricultura regeneratio» steht dafür, dass der damit ausgezeichnete Betrieb schrittweise regenerative Praktiken umsetzt, schreibt der Verein auf seiner Website. Dazu müssen Anforderungen erfüllt sein wie ein Leitbild zu erstellen oder regelmässig Weiterbildungen zu besuchen.
Das Konzept der RLW gibt es schon länger: Es wurde in den 1980er-Jahren vom US-Amerikaner Robert Rodale geprägt, der sein Rodale Institute zur Forschung des Biolandbaus nach den Ansätzen der RLW ausrichtete. In den folgenden Jahrzehnten verschwanden der Begriff und auch die Konzepte dahinter – bevor es jetzt an Bekanntheit zunimmt.
Wieso ist regenerative Landwirtschaft so beliebt?
Die Landwirtschaft steht gleich vor mehreren Herausforderungen: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, erodierende Böden, hohe gesellschaftliche Ansprüche. Gesucht sind Lösungen. Und nach diesen Lösungen suchen nicht nur PolitikerInnen, sondern auch LandwirtInnen. Da bietet sich die RLW als mögliche Lösung an. Anders gesagt: Das neu aufgeflammte Interesse an der RLW entspricht ganz dem Zeitgeist.
Konkret will die RLW den Verlust an Biodiversität umkehren. Das zweite grosse Ziel ist die Wiederher-stellung eines gesunden Bodens. So beschreibt es eine Studie aus dem Jahr 2021 von Agronomen der Universität in Wageningen NL. Die RLW geht also auf Probleme ein, die in der heutigen Gesellschaft stark gewichtet werden und bei denen nach Lösungen gesucht wird.
Die Fruchtbarkeit und Gesundheit des Bodens werden unter anderem gefördert, indem der Boden reduziert bearbeitet wird und möglichst immer bedeckt ist, damit er gesund bleibt:
- Ein gesunder Boden ist Grundlage und Voraussetzung für die künftige Nahrungsmittelproduktion.
- Ein gesunder Boden kann Wasser besser zurückhalten und den Pflanzen zur Verfügung stellen in Zeiten der Trockenheit.
- Ein gesunder Boden ist weniger gefährdet, zu erodieren.
- Ein gesunder Boden kann mehr CO2 speichern. Auch deshalb rückte die RLW in das Bewusstsein einer breiteren Bevölkerungsschicht: Als Option, um das Klima zu retten.
Allerdings gibt es Studien, die das Potenzial der RLW zur CO2-Bindung im Boden relativieren: Die grössten Effekte für das Klima gibt es, wenn drastisch umgestellt wird. Zum Beispiel von Acker- auf Grasland oder auf konsequentem Agroforst. So ordnet es der Bericht «Regenerative Landwirtschaft in Europa» ein, den WissenschaftlerInnen des European Academies Science Advisory Council 2022 verfassten (siehe www.diegruene.ch/easac-bericht).
Die Zukunft der regenerativen Landwirtschaft
RLW hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen, angetrieben und angewendet von Verbänden, Agronomen und Landwirten. Ob die regenerative Landwirtschaft langfristig Erfolg hat, wird sich zeigen.
Sollten nicht alle Erwartungen erfüllt werden, die geweckt werden – sei es von Medien, NGOs und RLW-Kursanbietern – heisst das nicht per se, dass die regenerative Landwirtschaft nicht funktioniert.
Es ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Nahrungsmittelproduktion komplex ist. Es gibt Umstände, die nicht miteinander vereinbar sind. Es gibt Mechanismen, die so komplex sind, dass nicht immer an alle Aus-wirkungen gedacht werden kann.
Die regenerative Landwirtschaft allein wird das Klima nicht retten. Sie ist aber eine Möglichkeit, dem Boden und der Biodiversität auf dem Betrieb Sorge zu tragen.
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