Simon Jöhr, was muss ein Landwirt tun, um erfolgreich regenerative Landwirtschaft zu betreiben?
Simon Jöhr, Regenerativ Schweiz: Ein Landwirt betreibt erfolgreich regenerative Landwirtschaft, wenn er es schafft, die gemeinsamen Lebensprozesse von Boden und Pflanzen anzustossen, aufzubauen und wenn er diese bei voller Produktion fördern und erhalten kann.
Er sollte hierfür das regenerative System verstehen und dieses ganzheitlich umsetzen, einzelne Aspekte oder einzelne regenerative Methoden herauszupicken kommt oft nicht gut.
Reto Minder, was macht eine erfolgreiche konservierende Landwirtschaft aus?
Reto Minder, Swiss No-Till: Das Wichtigste bei der konservierenden Landwirtschaft ist die Einstellung des Landwirts: Der Pflanzenbau muss aus Sicht des Bodens und nicht vom Traktorsitz aus angeschaut werden. Swiss No-Till konzentriert sich auf die drei Säulen der konservierenden Landwirtschaft, wie sie auch die FAO (Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) definiert:
Wir bearbeiten den Boden nicht oder nur minimal. Wir setzen auf Direktsaat. Der Definition nach werden maximal 25 Prozent der Bodenoberfläche bewegt.
Der Boden ist immer bedeckt, mit lebenden oder abgestorbenen Pflanzenresten.
Wir achten auf eine möglichst diverse Fruchtfolge.
Regenerative und konservierende Landwirtschaft im Vergleich: Wo sehen Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten?
Jöhr: Beide haben zum Ziel, die Fruchtbarkeit der Böden zu halten oder zu steigern, beide wollen Erosion vermeiden, Humus aufbauen und bestenfalls Kohlenstoff sequestrieren. Die regenerative Landwirtschaft legt ihren Schwerpunkt auf die Belebung der Böden und die Förderung der symbiotischen Stoffwechselprozesse von Bodenleben und Pflanzen. Die konservierende Landwirtschaft legt ihren Fokus vor allem auf die Minimierung der Bodenbewegung.
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«... einzelne regenerative Methoden herauszupicken kommt oft nicht gut.»
Simon Jöhr, Regenerativ Schweiz
Minder: Grundsätzlich müssen wir nicht das eine gegen das andere ausspielen. Das oberste Ziel ist bei beiden, den Boden und die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten respektive aufzubauen.
Die regenerative Landwirtschaft ist kein klar definierter Begriff und wird im internationalen Umfeld anders verwendet als im deutschsprachigen Raum. Bei uns versteht man unter regenerativer Landwirtschaft:
Basis sind die drei Säulen der konservierenden Landwirtschaft.
Aber die Bodenbearbeitung ist flexibler: Oberflächliche Bodenbearbeitung ist Teil des Systems.
Einsatz von Komposttee, Rottelenker, EM usw. ist Teil des Systems.
Starke Anlehnung an Biolandbau.
Wie bereiten Sie das Feld für die nächste Kultur vor ...
... wenn Wintergerste auf Winterweizen folgt?
Simon Jöhr: Sofern keine Untersaat vorhanden ist, kommt nach dem Winterweizen ein Dominanzgemenge als Zwischenkultur. Diese wird – je nach Boden und Mechanisierung – mit Fräse, Geohobel oder Scheibenegge flach eingearbeitet und anschliessend über die Flächenrotte dem Boden zugeführt.
Nach abgeschlossener Flächenrotte erfolgt die Saat, kombiniert. Eventuell Saatgut beizen mit effektiven Mikroorganismen EM, Biolit oder Komposttee.
Reto Minder: Wintergerste nach Winterweizen würde ich nicht empfehlen. Wir kombinieren unsere Fruchtfolge mit mehr Abwechslung. Das Ziel ist, zwischen einer Halm- und einer Blattfrucht abzuwechseln, genauso zwischen einer Frühlings- und einer Winterkultur.
Wenn nicht anders möglich, sollte nach dem Mähdrusch unmittelbar eine schnelldeckende abfrierende Gründüngung angesät werden. Die Wintergerste kann dann im «Planting green»-Verfahren direkt in die stehende Gründüngung eingesät werden. Im Idealfall kann hier auf eine chemische Unkrautbekämpfung verzichtet werden.
... wenn Mais nach Kunstwiese angebaut wird?
Jöhr: Ein Schnitt, dann Flächenrotte mit Fräse oder Geohobel. Nach 10 Tagen ein zweiter Durchgang, anschliessend Saat, wenn nötig kombiniert. Saatgutbeizung mit EM, Biolit oder Komposttee.
Minder: Nach der Kunstwiese braucht es ein Totalherbizid, wenn auf eine Bodenbearbeitung verzichtet wird. Danach kann mittels Direktsaat der Mais gesät werden. Wurde der Boden in der Kunstwiese verdichtet, wäre eine Streifenfrässaat die Alternative.
Welche Vorteile bietet die jeweilige Anbauweise dem Landwirt?
Jöhr: Die regenerative Anbauweise führt zu einem funktionierenden Wasser- und Nährstoffhaushalt und insgesamt zu höherer Resilienz des Bodens und des ganzen Betriebszyklus. Weiter führt sie zu unschädlichem Hofdünger, zu besserer Tiergesundheit, zu weniger Pflanzenkrankheiten und Unkrautdruck und sie produziert Nahrungsmittel mit höherer Nährstoffdichte.
Minder: Die konservierende Landwirtschaft ist das effizienteste Anbausystem. Es gibt weniger Arbeitsgänge auf dem Feld, wodurch es weniger Maschineneinsatz braucht. Die eingesetzten Ressourcen werden dabei am produktivsten umgesetzt.
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«Die Gründüngung ist meine Bodenbearbeitung vor der nächsten Kultur.»
Reto Minder, Swiss No-Till
Viele weitere Vorteile sind bekannt wie das Verhindern von Erosion oder Nährstoffauswaschung, erhöhte Biodiversität auf und im Boden sowie erhöhte Infiltration des Niederschlags. Durch die möglichst permanente Bodenbedeckung trocknet der Boden langsamer aus und die Oberflächentemperatur kann gesenkt werden.
Welche Nachteile gibt es?
Jöhr: Regenerativer Anbau ist zu Beginn mit Mehraufwand verbunden. Einerseits muss das Wissen um biologische Vorgänge angeeignet werden. Andererseits gibt es in der Umsetzung höhere Aufwände. Zudem funktioniert in der Regel nicht alles von Beginn weg: Es gibt kein einheitliches Rezeptbuch mit Erfolgsgarantie. Jeder Betrieb hat andere Herausforderungen, sei es bei den Böden, Nährstoffen, Niederschlägen und Wasservorkommen oder dem lokalen Klima.
Minder: Oft wird der Einsatz von Totalherbiziden erwähnt. Für mich persönlich ist dieses Argument jedoch nicht matchentscheidend: Sinnvoll und gezielt eingesetzt kann es andere Herbizide ersetzen. Ausserdem überwiegen die Vorteile gegenüber einem bearbeiteten System.
Welche zusätzlichen Kosten und welcher Arbeitsaufwand fallen bei den Verfahren an?
Jöhr: Kosten fallen an für zusätzliches Equipment wie etwa die Kompostteemaschine. Allenfalls muss in die Mechanisierung investiert werden und in Hilfsstoffe, wobei dank diesen mit der Zeit andere Hilfsstoffe wie Pflanzenschutzmittel reduziert werden können. Es ist mit zusätzlichem Arbeitsaufwand zu rechnen, um beispielsweise Komposttee zu brauen oder für die Beobachtung der Entwicklung von Kulturen und Böden.
Minder: Der Arbeitsaufwand nimmt grundsätzlich ab. Aber es braucht mehr Zeit für die Beobachtung. Es braucht mehr Zeit und «Brainpower», weil ich mich mehr mit der Thematik und dem System auseinandersetzen muss. Die Gründüngung ist meine Bodenbearbeitung vor der nächsten Kultur. Das bedeutet, ich muss vorausschauen, über die ganze Fruchtfolge hinweg.
Die beiden Organisationen
Regenerativ Schweiz ist eine Lernplattform. Online sowie in Kursen vermittelt sie Wissen rund um regenerative Landwirtschaft. Simon Jöhr ist als Berater und Kursleiter tätig.
Swiss No-Till ist die Schweizerische Gesellschaft für bodenschonende Landwirtschaft. Swiss No-Till setzt auf die konservierende Landwirtschaft. Reto Minder ist Landwirt und Präsident von Swiss No-Till.