Kurz & bündig
- Familie Kobel hält in Rubigen 70 bis 100 Galloway-Tiere.
- Alles Fleisch wird direkt vermarktet.
- Die Beweidung von Naturschutzgebieten ist gut für das Image.
- Wichtig ist ein gutes Marketing-Konzept.
Auf dem Weg zum Naturschutzgebiet «Hechtenloch» wird klar, weshalb Jonathan Kobel in einen Geländewagen sitzt, wenn er seine Tiere auf der Weide besucht. Unterwegs müssen wir einen Seitenarm der Aare durchqueren, es fühlt sich fast ein bisschen an wie eine Safari. Im Gebiet «Hechtenloch» angekommen sehen wir von weitem vier Galloway-Jungtiere, die dort die steilen Hänge beweiden. Sie kommen sofort zu Landwirt Jonathan Kobel, der Maiswürfel als Lockfutter dabeihat.
Mais gehört aber ansonsten nicht zum Speiseplan dieser extensiven Rinderrasse. Auf der Weide im Naturschutzgebiet wächst nichts, was hohe Energie- oder Proteingehalte in sich birgt. «Die Tiere sind sehr genügsam. Sie fressen auch Schilf, junge Brombeeren und sogar Neophyten wie junge Goldruten. Sogar an den japanischen Staudenknöterich gehen sie – allerdings erst ganz am Schluss. Das ist dann ein Zeichen, dass die Tiere eine neue Weide brauchen», erklärt Jonathan Kobel.
«Nur Blacken fressen sie leider nicht», fügt er an und lacht. Die Blacken sind ein nicht unwesentlicher Grund, weshalb Kobel seinen Betrieb nicht auf Bio umgestellt hat. Auf steilen Flächen hat er einen gewissen Blacken- und Disteldruck.
Und: «Da wir alles Fleisch direkt vermarkten, bringt uns Bio keinen Mehrwert. Wir sind unser eigenes Label, hinter dem wir voller Überzeugung stehen können. Mit der Umstellung auf Bio gäbe es etwas mehr Direktzahlungen, aber andererseits auch Mehraufwand bei der Blacken- und Distelbekämpfung. Und wir wären weniger flexibel, was den Heuzukauf betrifft», erklärt Jonathan Kobel.
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Die Galloway vom Kobel's Hof beweiden zehn Hektaren Naturschutzfläche
Kobel pflegt mit seinen Tieren knapp zehn Hektaren Naturschutzfläche für den Kanton, und das bereits seit dem Jahr 2006. «Das Amt für Naturförderung des Kantons Bern kam auf meine Eltern zu. Sie wollten einige Naturschutzgebiete beweiden lassen, weil die Pflegearbeiten zu teuer wurden, wenn der Kanton diese ausführt», erklärt Kobel.
Für Familie Kobel sind diese Aufträge interessant. Alle Stunden Arbeit, die Kobels investieren, sind nach offiziell gültigen Tarifen gut bezahlt, einige Flächen können Kobels auch bei den Direktzahlungen anmelden.
Und: «Für uns als Direktvermarkter ist es ein grosser Vorteile, dass unsere Tiere für viele Erholungssuchende bestens sichtbar sind. Gesunde Tiere, die in einem Naturschutzgebiet Pflegearbeiten übernehmen – eine bessere Werbung gibt es praktisch nicht», erklärt Jonathan Kobel.
Von Marketing verstehen Jonathan und seine Frau Michèle einiges. Als sie den Betrieb übernommen haben, wollten sie den Betriebszweig Direktvermarktung ausbauen. «Unsere Einstellung war von Anfang an, dass wir die Direktvermarktung professionell angehen müssen, wenn wir Erfolg haben möchten. So haben wir auch mit Profis zusammengearbeitet und im ersten Jahr rund 30'000 Franken in ein gutes Marketing-Konzept investiert», sagt Jonathan Kobel.
Das klingt nach viel, aber Kobel relativiert: «Unter Berufskollegen wirkt diese Zahl auf dem ersten Blick immer etwas schockierend. Handkehrum werden oft neue Traktoren für über 120'000 Franken gekauft, ohne dass die Investition genau durchgerechnet und geprüft wird», so Kobel.
Der Erfolg stellte sich bei Kobels umgehend ein. «Bereits im ersten Jahr haben wir den Absatz von Fleisch über die Direktvermarktung verdoppelt», erinnert sich der Betriebsleiter. Heute sind sie in der Situation, dass sie meistens mehr Fleisch verkaufen könnten, als sie haben.
Ein Teil des Marketing-Konzepts sind Info-Tafeln mit Flyern, welche entlang der von Kobels bewirtschafteten Naturschutzgebiete aufgestellt sind – designt von einem Grafiker. Bis die Galloway-Rinder von Kobels aber schlachtreif sind, gibt es einiges an Arbeit. «Einige denken vielleicht, so eine extensive Rinderrasse gibt ja nichts zu tun. Das stimmt nicht», sagt Jonathan Kobel.
Mindestens alle zwei Tage muss er alle Tiere kontrollieren. Die Naturschutzgebiete befinden sich nicht alle in nächster Nähe, und die Tiere müssen häufig und manchmal auch spontan – beispielsweise wenn Hochwasser angesagt ist – die Weide wechseln. «Das geht nur, weil wir eine relativ grosse Herde mit vielen Tieren haben. So sind wir einigermassen flexibel und können fast immer die gewünschte Anzahl Tiere an den gewünschten Standort bringen», erklärt Jonathan Kobel.
Auch das Handling der Galloway-Tiere sei anders als bei Milchkühen. «Diese Rasse kann man nicht von A nach B treiben. Man muss die Tiere locken.» Zudem gibt es andere Probleme, die bei Kobels zum Alltag gehören. «Es kommt ab und zu vor, dass ein Biber einen Baum direkt auf unseren Weidezaun fällt.
Und auch wenn die Arbeit mit dem Naturschutz für uns viele Vorteile bringt, muss man sich doch bewusst sein: Dadurch steht man als Landwirt noch etwas stärker im Fokus der Öffentlichkeit, als das sonst schon der Fall ist», gibt Jonathan Kobel zu bedenken.
Nicht zuletzt deshalb ist ein regelmässiger, guter Umgang mit den Tieren wichtig, damit diese zahm sind. «Das Verladen muss möglichst reibungslos über die Bühne gehen. Es ist schlecht fürs Image, wenn die SpaziergängerInnen sehen, wie die Tiere nur mit Müh und Not in den Anhänger einsteigen und Stress haben. Andererseits ist es gerade auch beim Transport zum Schlachten wichtig, dass die Tiere nicht gestresst sind und so auch die Fleischqualität nicht leidet», so Kobel.
Der Landwirt kennt seine Tiere und weiss, mit welchen er Naturschutzgebiete bestossen kann und welche er besser zu Hause auf dem Betrieb weiden lässt. Bei jenen Tieren, die sich in Schutzgebieten aufhalten, muss er die Zecken und den Leberegel im Auge behalten.
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Jonathan Kobel sagt: «Unsere Dienstleistung kann nicht importiert werden»
Landwirte und Naturschützer, das ist oft ein angespanntes Verhältnis. Für Jonathan Kobel aber klappt die Zusammenarbeit gut. «Die Beweidung von Naturschutzgebieten hat einen grossen Vorteil: Diese Arbeit kann nicht aus dem Ausland importiert werden», sagt Kobel.
Kobel vermutet, dass sein Konzept auch andernorts auf Anklang stossen könnte. So wurde er beispielsweise bereits angefragt, ob er mit seinen Tieren in der Nähe des Neuenburgersees eine Fläche beweiden könnte. Kobel lehnte ab: «Irgendwo hat es dann auch Grenzen. Die Entfernung wäre für mich zu gross, als dass ich die Tiere mit vernünftigem Aufwand überwachen könnte», sagt Kobel.
Damit eine Zusammenarbeit mit dem Naturschutz auch andernorts in der Schweiz für andere Landwirte klappt, rät Jonathan Kobel, dass man sich von Beginn an als Dienstleister verstehe. «Es braucht die Bereitschaft, mit dem Naturschutz und den in-volvierten Parteien konstruktiv zusammenzuarbeiten. Man muss den Mehrwert hinter dieser Partnerschaft sehen und akzeptieren, dass man nicht alleine entscheidet, wo genau wann welche Tiere hinkommen.»
Kobels haben es geschafft, dass sie sämtliches Fleisch direkt an ihre Kunden bringen können. Grösser werden oder Tiere extern zukaufen möchten sie vorderhand nicht. Was also sind die Pläne für die Zukunft? «Wir möchten das ganze Tier verkaufen können. Dazu gehören auch Leder- und Fellprodukte. Auch gibt es noch Potenzial, um einzelne Fleischstücke separat und zu besseren Preisen zu verkaufen», meint Jonathan Kobel.
Betriebsspiegel Kobel’s Hof
Jonathan und Michèle Kobel, Rubigen BE
LN: 44 ha (Grünland, 33 Prozent ökologische Ausgleichsfläche)
Tierbestand: 75 Galloway (Muttertiere und Jungtiere), 4 Pferde
Arbeitskräfte: Jonathan und Michèle Kobel, Armin und Sabine Kobel (Eltern), 1 Angestellte (40 Prozent)
www.kobelshof.ch
Wie Kobels zu den Galloway gekommen sind
Armin und Sabine Kobel suchten 1995 nach einer Alternative für ihren Betrieb, um aus der Industriemilch-Produktion auszusteigen.
Bis dahin handelte es sich um einen klassischen gemischten Betrieb: Industriemilch, Ackerbau, Schweinemast.
Per Zufall sahen sie eine TV-Reportage über Galloway-Rinder in Deutschland. Sie haben anschliessend mit deutschen Landwirten Kontakt aufgenommen und konnten schliesslich 16 Muttertiere und einen Muni in die Schweiz importieren. Kobels gehörten schweizweit zu den ersten Landwirten mit Galloway-Tieren.
In einem ersten Schritt verkauften Kobels Zuchttiere an andere Landwirte und starteten mit der Direktvermarktung.
Als Jonathan und Michèle Kobel 2016den Betrieb von Jonathans Eltern übernommen haben, war für sie klar, dass sie die Direktvermarktung ausbauen möchten. «Wir möchten uns den Preis für unsere Produkte nicht vorschreiben lassen», sagt Jonathan Kobel.
Zudem haben er und Michèle grosses Potenzial in der Direktvermarktung gesehen. Die Rasse, die Nähe zur Stadt Bern und die Zusammenarbeit mit dem Naturschutz boten hervorragende Voraussetzungen.
Heute vermarkten Kobels sämtliches Fleisch ihrer Tiere direkt ab Hof.
Beweiden oder mähen?
Die Frage, ob auf Naturschutzflächen Beweidung oder Mahd als geeigneter eingestuft wird, hängt von den Lebensraumansprüchen der prioritären Arten ab. Es kommt auf das konkrete Gebiet, die naturschützerische Zielsetzung, die konkrete Umsetzung durch den Bewirtschafter, aber auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen an. Es ist somit die Zieldefinition auf der Fläche, die den Ausschlag zur Bewirtschaftungsart gibt.
Beweiden ist in der Regel kostengünstiger als Mähen, bringt etwas mehr Mikrostrukturen ins Gebiet, aber es kann auch zu Trittschäden, selektivem Frass und dergleichen kommen. Extensive Wiesen sind häufig etwas artenreicher als extensive Weiden. Es gibt aber auch da Flächen, die gemäht und beweidet werden (Ätzheu, Herbstweide).
Mit den Galloway-Rindern der Familie Kobel wurde ursprünglich zur Bekämpfung von invasiven Neophyten mit der Beweidung begonnen. Die Rinder haben sogar den Riesenbärenklau gefressen, was erstaunlich war. Zudem eignen sich die jungen, leichten Rinder sehr bei der Beweidung der kaum mähbaren Böschung im Naturschutzgebiet «Hechtenloch» (steil und feucht). Solche Rand- und Sonderstrukturen (bei welchen die Handarbeit mühsam ist) sind allgemein geeignet, falls aus der Sicht der Arten nichts dagegen spricht.
Nicht geeignet zur Beweidung sind hingegen Flächen mit seltenen Arten, welche eine Beweidung nicht ertragen.
Quelle: Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern