Kurz & bündig
- Dieter Weber und Nadia Graber setzen vor allem auf Facebook und bringen so Geschichten an die Leute.
- Im 2019 investierten sie 1200 Franken in Facebook-Werbung für fünf Anlässe. Das habe sich gelohnt.
- Die Kundschaft veränderte sich durch Social Media.
- Die Leute kommen nun von weiter her und sind urbaner.
Trüb, kalt, es regnete und schneite sogar am 4. Mai 2019. «Es war grauenhaftes Wetter», sagt Dieter Weber. Er und seine Frau Nadia Graber veranstalteten an diesem Wochenende ihren Setzlingsmarkt auf ihrem Betrieb in Liestal BL. Und sie rechneten wegen dem garstigen Wetter mit dem Schlimmsten: «Zwei Minuten vor 9 Uhr war noch kein einziger Kunde da», erzählt Graber.
Doch was dann passierte, hätten sich die beiden Biobauern nie erträumt. Kurz nach 9 Uhr kam ein Auto nach dem anderen. «Wir wurden förmlich überrannt», erinnert sich Graber. Der Parkplatz war im Nu voll. Auf dem Hofareal und rund um die Treibhäuser mit den Verkaufstischen wimmelte es von zufriedenen und gut gelaunten Menschen, die sich ihre Kistchen und Körbchen mit verschiedensten Jungpflanzen füllten.
Auf Social Media Stimmung fürs Angebot machen
Weber ist sich sicher, dass dies vor allem durch Social Media möglich war. Setzlinge seien etwas Dankbares. Man hat etwa zehn Wochen vom Setzen bis zum Verkauf. «Während dieser Zeit kann ich auf Social Media die Leute mit unseren Geschichten gluschtig machen», sagt Weber. Als dann das schlimmstmögliche Wetter für den Setzlings-Markt angekündigt war, postete Weber ganz systematisch. «Wir befürchteten, dass kaum jemand kommen würde, und kommunizierten unsere Sorgen auch auf Facebook», sagt Weber.
Dazu hat Weber in den Tagen vor dem Markt ein paar Beiträge auf Facebook verfasst und ein kleines Video gedreht.
Die Resonanz der Leute war gross», erinnert sich Weber. «Wir merkten, den Leuten liegt was dran und sie wollen das zeigen, indem sie die Beiträge teilten.» Weber ist sich sicher: «In dieser Intensität für einen Markt Stimmung zu machen, wäre ohne Social Media gar nicht möglich gewesen.»
«Vor 20 Jahren hätte man die Faust im Sack gemacht»
Was geschieht, wenn ein Beitrag auf Social Media so richtig Fahrt aufnimmt, haben Weber und Graber aber an einem anderen Beispiel erfahren. Dieter Weber hat im Sommer 2019 einen offenen Brief gepostet, weil in seinem Mais-Labyrinth gewütet wurde. Dieser offene Brief wurde auf Facebook innert weniger Tage fast 900 Mal geteilt. «Wir bekamen Anrufe von diversen Zeitungen, zum Beispiel ‹20 Minuten›. Sogar ‹Telebasel› hat sich gemeldet», sagt Weber. «Wenn ein Beitrag einmal ins Rollen kommt, hat man keinen Einfluss mehr darauf und es wird unstoppbar», sagt Weber. «Das war uns ein Lehrstück.»
«Vor 20 Jahren hätte man einfach die Faust im Sack gemacht und wohl kaum ein Inserat in die Tagespresse gestellt», sagt Weber. Und Graber ergänzt: «Für uns ist das gut herausgekommen». Die Anteilnahme der Leute war riesig. «Wir bekamen sehr viel Zuspruch und spürten, dass die Leute uns schätzen», sagt Graber.
Mit Facebook Leute ins Boot holen
Bei Facebook startete Weber zuerst 2011 mit einer Seite für sein Kürbisland. Das ist seit 1996 ihr Steckenpferd. «Ich hatte schon vorher ein privates Facebook-Konto», sagt Weber, «für den Betrieb wollte ich das aber nicht nutzen.» Erst später hat Weber gemerkt, dass sich die Leute auch für den Rest des Betriebes interessieren. So entstand die Seite «Hofgut Obere Wanne Liestal», welche nun parallel zu «Kürbisland Liestal» läuft. Instagram und Youtube sind für Weber im Moment noch Nebensache.
«Reine Verkaufs-Beiträge mache ich selten», betont Weber. Es gehe vor allem um Imagepflege, Kundenbindung, Aufklärung und darum, mit spannenden Geschichten Leute mit ins Boot zu holen. Das Ziel seiner Kanäle ist aber klar: Die Leute sollen vorbeikommen und letztlich auch etwas kaufen.
«Ich würde gerne mehr Zeit in Social Media investieren»
Die meisten Beiträge kommen aus Dieter Webers Feder. Im Sommer postet er manchmal fast täglich, im Winter zwei- bis dreimal pro Woche. «Unser Betrieb ist so vielseitig», sagt Graber, «es ist fast immer etwas aktuell.» Hätten sie ausschliesslich Kürbisse, gäbe es eine lange Zeitspanne ohne Aktualitäten.
Pro Beitrag rechnet Weber mit 20 bis 30 Minuten Aufwand. Für die sonntäglichen Rückblicke in die Geschichte des Hofguts braucht er aber länger – bis zu einer Stunde.
Ist das für den vielbeschäftigten Landwirten nicht zu viel, in diesem Umfang auf Social Media aktiv zu sein? «Ich mache das wahnsinnig gerne», sagt Weber. Er würde lieber draussen eine halbe Stunde weniger arbeiten und diese Zeit zusätzlich in Social Media investieren.
«Und wir halten auch immer die Augen offen und überlegen uns, was man als Nächstes posten könnte», sagt Graber.
Weber ergänzt: «Ich habe auch schon abends nicht fertig gepflügt, weil ich am nächsten Morgen mit besserem Licht für das Foto rechnete.» Er richte in solchen Fällen seine Arbeit nach seinen Social-Media-Plänen. Aber es ist ihm wichtig, authentisch zu sein: Ein T-Shirt dürfe auch mal schmutzig sein.
Das Hofgut «Obere Wanne» ist kein idyllischer Betrieb
Quasi mitten durch das Land der «Oberen Wanne» führt die grosse Kantonsstrasse von Basel ins Mittelland. «Deren Wirkung ist nicht zu unterschätzen», sagt Weber, «und für uns Fluch und Segen zugleich.»
Die Leute verfolgen permanent, was auf dem Betrieb alles läuft. «Was macht er denn jetzt wieder auf seinem Traktor?», würden sich die Leute fragen. «Wir müssen nur noch Antworten liefern», sagt Weber, «und Social Media hilft uns enorm dabei, die Leute mit unseren Geschichten dort abzuholen.»
Die Kundschaft ändert sich durch Social Media
Sein Mais-Labyrinth hat Weber im Jahr 2019 zum ersten Mal in der ganzen Deutschschweiz auf Facebook beworben. 2019 investierte er 1200 Franken in Facebook-Werbung für fünf Anlässe. «Und das war immer gut investiertes Geld», sagt Weber.
Es sei auffallend, wie sich die Kundschaft dadurch gewandelt habe. Bis anhin hatten sie vor allem Kunden aus der Gegend gehabt. Nun kämen diese von viel weiter her, aus Zürich beispielsweise. «Vielleicht machen wir nächstes Jahr noch mehr Werbung», sagt Weber. Aber durch die neue Kundschaft ändere sich zum Teil auch deren Ansprüche und Erwartungen. «Leute, die nicht von hier sind, stellen sich aufgrund der Fotos vielleicht etwas anderes vor, als es effektiv ist», sagt Graber. Manche würden einen Festbetrieb erwarten, obwohl das im Beitrag auf Facebook gar nie erwähnt wurde. Oder die Besucher ärgern sich darüber, dass es im Maislabyrinth schmutzige Schuhe gibt.
«Man muss sich halt entscheiden, was man will», wirft Weber ein. An einem schönen Tag mit 600 Gästen gebe es halt zwei bis drei schräge Vögel. Diese nehmen sie in Kauf. Denn die Vorzüge und Möglichkeiten, die durch Social Media entstehen, überwiegen für Weber klar. So wie an jenem regnerisch und kalten Setzlings-Markt. «Es ist wunderbar, zu sehen, wie sehr sich unsere Arbeit auf Social Media lohnt», sagt Weber.
Betriebsspiegel «Hofgut Obere Wanne»
Dieter Weber (53) und Nadia Graber (45) mit Cynthia (17), Elias (14), Yanis (8) und Lorraine (6), Liestal BL
LN: 27 ha
Bewirtschaftung: Bio
Betriebszweige: Legehennen, Kürbisse, Schnittblumen, Himbeeren, Kartoffeln (20 ProSpecieRara-Sorten), Maislabyrinth, Setzlingsmärkte, Ackerbau (Körnermais, Hirse, Urdinkel, Grünland, Ökoflächen)
Arbeitskräfte: Betriebsleiter-Ehepaar und im Sommer 2 bis 3 Aushilfen, jeweils 1 bis 2 aufs Mal.
Instagram: hofgut_obere_wanne_liestal
Facebook: Hofgut Obere Wanne Liestal
Facebook: Kürbisland Liestal