Kurz & bündig

  • Kiwi-Cross sind eine Kreuzung aus Neuseeländischen Holstein und Jersey.
  • Die Familie Pitt Käch setzen sie auf ihrem Vollweide-Betrieb mit saisonaler Abkalbung ein.
  • Die Milchinhaltsstoffe sind hoch: 4,6 % Fett und 3,7 % Eiweiss.
  • Die Cremo honoriert das mittels Gehaltsbezahlungs-System.
  • Irische Forscher fanden heraus, dass Elitetiere kleiner sind, einen höheren BCS-Wert aufweisen, weniger Milch produzieren, aber dafür mit besseren Inhaltsstoffen.

 

Die Familie Pitt Käch betreibt einen Bio-Vollweidebetrieb in Gampelen im Berner Seeland. Es ist Ende November und ihre Milchkühe grasen noch immer auf der Weide. Die kleinen, kompakten Kiwi-Cross-Kühe sind hierzulande selten anzutreffen. Kiwi-Cross ist eine Kreuzung aus Neuseeländischen Holstein und Jersey. Wobei diese nicht vergleichbar mit den hiesigen Rassen-Genossinnen sind. Sie sind kleiner, runder und melken sich weniger ab.

Kiwi-Cross – perfekte Weidekuh aus Neuseeland?

«Wir brauchten Kühe, die für die Vollweide angepasst sind», erzählt Betriebsleiterin Susanne Käch. Die Lösung war mit Genetik aus Neuseeland, quasi dem Mutterland der Vollweide, naheliegend.

Pitt Kächs hielten früher Holstein und Fleckvieh. Sie fütterten vorwiegend im Stall, grasten ein und weideten während der Vegetationszeit. Seit 2004 setzen Pitt Kächs fast ausschliesslich Stiere aus Neuseeland ein. Und die Zuchtziele sind klar: «Unsere Kühe müssen fruchtbar sein, damit das saisonale Abkalben klappt.» Und das funktioniert. Die Hälfte von Pitt Kächs Kühen kalbt innerhalb von zwei Wochen und die ganze Herde innerhalb von zwei Monaten.

Ein weiteres Ziel ist das Gewicht. Mit ihren rund 500 kg Körpergewicht brauchen die Tiere viel weniger Erhaltungs-Energie als grossrahmige Tiere. Susanne Käch ist sehr zufrieden mit ihren Kiwi-Cross-Kühen: «Sie sind punkto Gesundheit problemlos, kalben sehr leicht und die Kälber sind sehr lebhaft und einfach zu tränken.»

Wer Vollweide betreibt, muss sich intensiv mit den Weiden und dem Futterangebot auseinandersetzen. «Wir messen während der Vegetationszeit das Gras wöchentlich», sagt Susanne Käch. Im Idealfall werde die Weide genutzt, wenn die Raigräser im Dreiblatt-Stadium sind. So könne die Kuh das Maximum aus der Pflanze herausholen. Der Bestand darf nicht zu hoch sein, sonst gibt es zu viel Weidereste. Das Gras muss tief abgeweidet werden – das fördere die Bestockung im nächsten Aufwuchs und vermindere die Verluste.

Besteht ein Futterüberangebot, werden die Parzellen mit überschüssigem Gras wegkonserviert. Die Winterfütterung besteht aus Heu, Emd und Grassilage. Kraftfutter setzen Pitt Kächs – bis auf die Luzerne-Würfel als Lockfutter – nicht ein.

Wenn es im Sommer trocken wird, hat der Betrieb eine zwar nicht ganz billige aber effiziente technische Lösung: «Dank der Kanäle können wir sämtliche Flächen mit einem Haspel und einer Elektropumpe bewässern.» Für die Übersaaten lässt sie eine eigene Mischung mit verschiedenen Raigräsern, Spitzwegerich und Chicorée mischen. «Chicorée wurzelt anders als die Gräser und ist mineralstoffreich», sagt Susanne Käch.

Hohe Milchgehalte sind ein positiver Nebeneffekt

Die Kiwi-Cross auf dem Betrieb Pitt Käch haben eine Milchleistung von 6'000 kg Milch pro Jahr. Wirtschaftliche Abstriche machen Pitt Kächs mit der geringeren Milchleistung aber nicht. Wie geht das?

Einerseits sind ihre Kosten tief, da keine Kraftfutterkosten und weniger Konservierungskosten anfallen. Auf der anderen Seite erhalten Pitt Kächs Gehaltszulagen, denn ihr Abnehmer Cremo führt seit 2013 ein Bezahlsystem für Fett und Eiweiss.

Für die Familie Pitt Käch geht die Rechnung auf: Die Milchgehalte mit 4,6 % Fett und 3,7 % Eiweiss lassen sich sehen. «Diese hohen Milchgehalte sind ein positiver Nebeneffekt unserer problemlosen, fruchtbaren und effizienten Weidekühe», sagt Susanne Käch. Und sie fragt sich, wie künftig gezüchtet werden soll: «Sollte man nicht besser auf hohe Gehalte züchten, anstatt Milchmenge? Schliesslich erlauben hohe Fett- und Eiweissgehalte der Kuh eine Ersparnis an Laktose- und Wassereinlagerung.»

Jährlich verschenkt ein befreundeter Betrieb Fr. 16'000

Längst nicht jeder Verarbeiter honoriert höhere Milchgehalte. Sprich, wer Milch mit mehr Wasser abliefert, verdient gleich viel pro Kilo Milch, wie einer der Milch mit hohen Milchinhaltsstoffen abliefert. Doch unter dem Strich ist das Fett und Eiweiss das Wertvolle und manche Verarbeiter verdienen an dieser gehaltvolleren Milch mehr, ohne die Produzenten zu honorieren.

Susanne Käch spricht von einer befreundeten Familie, die Käsereimilch abliefert und deren Milchgehaltssystem auf plus 3 Rappen plafoniert ist. «Bei einer Liefermenge von 160'000 Kilo «schenken» sie ihrem Verarbeiter jedes Jahr 16'000 Franken», hält Susanne Käch fest.

Anders ausgedrückt: Diese Kühe hätten Gras für 175'000 kg energiekorrigierte Milch ECM gefressen, aber nicht das Milchgeld für diese Menge ECM generiert, sagt Susanne Käch.

Irland züchtet auf Fruchtbarkeit, Inhaltsstoffe und Langlebigkeit

Ob eine Kuh wirtschaftlich ist oder nicht, wird in anderen Ländern an anderen Parametern gemessen. Susanne Käch schaut gerne über die Landesgrenzen hinaus und vergleicht. In Neuseeland wird pro kg Eiweiss und Fett abgerechnet. «Und wer zu viel Volumen abliefert, also «dünne» Milch, wird gar bestraft», sagt Susanne Käch.

Ein anderes Beispiel ist Irland: Dort werden 90 Prozent der Milch unter Vollweide mit saisonaler Abkalbung produziert. Um die Jahrtausendwende merkten Irlands Landwirte, dass sich die Fruchtbarkeit ständig verschlechterte. Als Folge wurde im Jahr 2001 ein wirtschaftlicher Herdezuchtindex (Economic Breeding Index, EBI) entwickelt.

Der EBI ist ein Selektions-Instrument, um standortangepasste Kühe zu züchten. Fünfzehn Merkmale bilden die Grundlage des EBI, wobei die Fruchtbarkeit, die Milchinhaltsstoffe und die Langlebigkeit 70 Prozent des Gesamtindex ausmachen.

Der Zuchtwert wurde dabei rein wissenschaftlich aus Wirtschaftlichkeitszahlen abgeleitet und ist ein monetärer Wert. Eine Kuh mit einem Index von 176 wirft 43 Euro mehr Rendite ab als eine durchschnittliche Kuh mit einem Index von 133. (1)

Elitetiere sind kleiner, geben weniger Milch, aber mehr Protein

Die Forscher ermitteln in einer Langzeitstudie die Unterschiede zwischen einer durchschnittlichen Kuh und einer mit einem hohen EBI. Die Daten liefern zwei unterschiedliche Kuhherden, welche am Teagasc Moorepark (vergleichbar mit Agroscope in der Schweiz) gehalten werden. Eine Herde entspricht dem nationalen Durchschnitt (EBI = 133), die andere Herde bilden Elitetiere (durchschnittlicher EBI = 249).

Das Forscherteam fand heraus, dass Elitetiere kleiner sind und einen höheren BCS-Wert aufweisen. Zudem produzieren sie weniger Milch mit besseren Inhaltsstoffen. Besonders ins Gewicht fällt der höhere Proteingehalt. Weiter tragen 90 Prozent der Elitekühe nach drei Monaten wieder. Im Gegensatz sind bei der Durchschnittsherde nur 81 Prozent der Tiere in derselben Zeitspanne trächtig. (1)

Wie weiter mit der Schweizer Milchvieh-Zucht?

Dass im Grasland Schweiz nicht jeder Betrieb auf ein Vollweide-System wie in Irland oder Neuseeland setzen kann, liegt auf der Hand. «Manche Betriebe sind einfach zu schlecht arrondiert», sagt Susanne Käch, «und die Schweizer Zucht setzt andere Schwerpunkte.» Auch ideelle Barrieren seien oft ein Grund.

«Im Fall der Milchinhaltsstoffe liegt der Ball spannenderweise oft auch bei den Landwirten selber», sagt Susanne Käch. «Im Fall unserer Kollegen entscheidet die Käsereigenossenschaft über das Gehaltsbezahlungssystem.» Und auch bei Milchhändlern wie dem ZMP sind Landwirte im Vorstand und haben Entscheidungsgewalt. «Offenbar fehlt es am Bewusstsein und an der Kenntnis für die Problematik», sagt Susanne Käch.

 

Betriebsspiegel der Familie Pitt Käch

Susanne Käch und Joss Pitt mit Raphael (23) und Samuel (22) aus Gampelen BE

LN: 32 ha

Bewirtschaftung: Bio

Kulturen: Kunstwiesen

Tierbestand: 60 Kiwi-Cross-Milchkühe

Milchleistung: Pro Jahr 340'000 kg; pro Kuh und Jahr 6'000 kg, Milchgehalt: 4,6 % Fett und 3,7 % Eiweiss

Betriebszweige:Milchproduktion und Joghurt-Herstellung

Arbeitskräfte: Susanne Käch und Joss Pitt, Raphael Pitt, zwei Helfer bei der Joghurt-Herstellung

www.yognature.ch

 

Joghurt braucht kein zusätzliches Milchpulver

Der hohe Gehalt an Eiweiss macht sich auch bei der Joghurt-Herstellung bemerkbar. Seit 2019 stellen die Pitts in Zusammenarbeit mit einer nahegelegenen Käserei einmal pro Woche Joghurt in sechs Geschmacksrichtungen her. «Normalerweise muss man für Joghurt zusätzliches Milchpulver beimischen», erklärt Joss Pitt. Das zusätzliche Eiweiss im Milchpulver sei für die Struktur, ohne wäre das Joghurt zu flüssig.

Nicht so bei den Joghurts der Familie Pitt Käch. «Durch die hohen Eiweiss-Gehalte erübrigt sich ein zusätzliches Pulver», sagt Joss Pitt sichtlich stolz. Das natürlich cremige Produkt wird über diverse Läden der Region abgesetzt.

 

IG Weidemilch

Die IG Weidemilch vertritt die Interessen von rund 90 Vollweide-Milchproduzenten mit saisonaler Abkalbung. Silvia Stohler, Präsidentin der IG Weidemilch, schätzt die gesamtschweizerische Zahl der Produzenten auf rund 120. Die meisten Betriebe setzten auf Schweizer Fleckvieh, teils mit einem höheren Anteil Simmental, sowie auf Neuseeländische Holstein- und Kiwi-Cross-Genetik.

www.weidemilch.ch

Quelle (1) «die grüne» Heft 1/2017 «Aufbruchstimmung auf Irlands Weiden». Autoren: Studierende in Nutztierwissenschaften HAFL, Abschlussjahrgang 2016