Die wuchtige Mobilisierung vom Land entschied die Volksabstimmungen über die Agrar-Initiativen.
Gemäss der Nachbefragung zu den eidgenössischen Volksabstimmungen vom 13. Juni 2021 stimmten Wählende der SP, Grünen und Grünliberalen mehrheitlich für die Trinkwasser-Initiative und Pestizid-Initiative.
Das war auch bei den AbsolventInnen einer universitären Ausbildung so. Und es traf auf die Kernstädte zu.
Das amtliche Ergebnis aus dem Kanton Basel-Stadt, der als einziger Stand Ja sagte, symbolisiert das am besten!
Eine breit gefächerte Ablehnung
Doch damit hatte es sich! Denn alle anderen Kantone sowie politischen und gesellschaftlichen Gruppen waren mehrheitlich gegen die Agrar-Initiativen. Sie trugen zum Endergebnis mit 61 Prozent Nein-Stimmen bei.
Konkret waren dies die Wählenden der bürgerlichen Parteien.
Auch bei den Gruppen der Frauen und Männern stimmte eine Mehrheit dagegen. Angehörige aller Altersgruppen und Haushaltsmitglieder aus allen Einkommensklassen ebenso.
Wer gleich zwei Mal Nein auf die Stimmzettel schrieb, war vor allem überzeugt, dass die Landwirtschaft bereits jetzt ökologisch ausgerichtet sei. Bisweilen teilte man gewisse Forderungen der Initianten; das Gesamtpaket war aber zu extrem.
Ein tiefer Stadt-/Land-Graben
Das Bundesamt für Statistik ermittelt aus den Ergebnissen in Bund, Kantonen Gemeinden seit 2018 den Stadt-/Land-Index, also den Unterschied im Nein-Anteil zwischen Kernstädten und Landgemeinden. Bei der Pestizid-Initiative betrug er 27 Prozentpunkte, bei der Trinkwasser-Initiative 28 Prozentpunkte.
Das sind sehr hohe Werte. Nur beim CO2-Gesetz, über das gleichzeitig abgestimmt wurde, war der Indexwert mit29 Prozentpunkten noch höher.
Fast noch interessanter als die Distanz zwischen den Polen sind die Werte für die Agglomerationen und isolierten Städte. Denn all diese «Zwischenräume» waren addiert auch mehrheitlich gegen beide Agrar-Initiativen. So wirkten die Kernstädte schliesslich isoliert.
Eine geschlossene Nein-Front
Am Anfang dieser tief greifenden, räumlichen und politischen Polarisierung stehen selbstredend die Initiativen selber. Gegen sie stellten sich sehr viele Bauersleute. Im Parlament stimmten komfortable Mehrheiten mit Nein. Und im Abstimmungskampf trat die Nein-Seite geschlossen, intensiv und professionell geführt auf.
Im werberischen Bereich hatte die Nein-Seite durchaus Vorteile. Gemäss einer Studie der Universität Bern betrug das Verhältnis an sichtbarer Werbung wie Inseraten 7 zu 1 für das Nein-Lager. Anders ausgerichtet waren die Massenmedien; sie berichten insgesamt gleich stark dafür wie dagegen.
Eine ausserordentlich hohe Stimmbeteiligung
Für den Abstimmungsausgang entscheidend war die Stimmbeteiligung. Sie erreichte mit knapp 60 Prozent den fünfthöchsten Wert in unserer Abstimmungsgeschichte. Nur der EWR, eine Überfremdungs-Initiative, die Armeeabschaffung und die Tempolimitierung auf Strassen mobilisierten stärker.
Den Effekt der Zusatzmobilisierung über das Mittel von 45 bis 50 Prozent Stimmbeteiligung hinaus zeigen statistische Analysen. Es gilt: Je höher die Stimmbeteiligung in einer Gemeinde im Vergleich zu anderen Abstimmungen war, umso geschlossener stimmte man gegen die Agrar-Initiativen.
Das liess die anfänglich hohen Sympathiewerte für die Agrar-Initiativen von Woche zu Woche sinken. Ein Teil davon war ein effektiver Meinungswandel. Ein anderer Teil entstand, weil die Zusatzmobilisierung bei der Gegnerschaft stärker war.
Dabei entwickelte die Nein-Welle vom Land eine derartige Wucht, dass schliesslich auch das CO2-Gesetz knapp am Volksmehr scheiterte.
Die Bilanz
Die Landwirte und ihr Anhang haben am 13. Juni 2021 eindeutig gewonnen. Ihre Polarisierungs-Strategie ging auf.
Trotzdem macht es Sinn, den Zielen, welche die Gegenseite vorbrachte, Gehör zu schenken. Denn jedes Mal wird sich diese einmalige Mobilisierung nicht wiederholen lassen.