Hans Hirschi, Sie werden dieses Jahr erst 60 Jahre alt. Wieso lassen Sie sich vorzeitig pensionieren?
Hans Hirschi: Meine Frau, die demnächst 71 Jahre alt wird, und ich hatten beide ein intensives Berufsleben mit einigen Entbehrungen. Vor 15 Jahren haben wir deshalb entschieden, dass wir beide uns vorzeitig pensionieren lassen, um gesund und munter noch möglichst viel Zeit gemeinsam zu geniessen.
Das schlechte Wetter oder das agrarpolitische Klima spielten also keine Rolle?
Ganz und gar nicht, es ist eine rein persönliche Sache. Jahre mit extremem Wetter waren für mich als Pflanzenbau-Berater zudem immer besonders herausfordernd und auch interessant. Wenn alles normal läuft, sind wir in der Beratung weniger mit Sonderfällen konfrontiert.
Mich hat es immer fasziniert, für besondere Herausforderungen spezielle Lösungen zu finden. Nebst dem Jahr 2021 ist mir etwa auch noch der Hitzesommer 2003 in bester Erinnerung. Oder das Jahr 2014, in dem es sehr nass war und wir im Getreide sehr oft mit Auswuchs zu kämpfen hatten.
Was waren in Ihrem Abschlussjahr 2021 die Besonderheiten im Bereich der Düngung der Kulturen?
Im Frühling war es lange kalt, weshalb die Böden nur zögerlich Stickstoff mineralisierten. Anschliessend haben die extremen Niederschläge und – abgesehen von einzelnen Tagen – die tiefen Temperaturen das Wachstum gehemmt. Wer in diesem Jahr die Düngung früh und mit grossen Gaben abgeschlossen hat, der hat einen Teil der Nährstoffe durch Auswaschung verloren.
Welches sind allgemein Herausforderungen im Bereich Düngung?
Wir müssen bei der Düngung möglichst verlustfrei und effizient den Bedarf unserer Kulturen decken können. Dazu ist es beispielsweise wichtig, Ammoniak-, Nitrat- und Lachgas-Verluste so weit wie irgendwie möglich zu vermeiden.
Wenn man in Zukunft die agrarpolitische Schraube beim Stickstoff weiter anzieht, wird eine optimale N-Ausnutzung mit gezielten Applikationen und entsprechend formulierten Düngemitteln noch entscheidender für den Erfolg, als das bereits heute der Fall ist.
Ebenfalls nicht aus den Augen lassen dürfen wir das wirtschaftliche Optimum, das ein Landwirt mit seiner Düngerstrategie erzielen möchte.
Was waren die häufigsten Fragen der Landwirte an Sie als Pflanzenbau-Berater?
Man kann die Fragen grob in zwei Kategorien einteilen. Es gibt die Sicherheitsfragen, bei denen der Landwirt die Antwort eigentlich bereits kennt, sich aber vor dem Düngerstreuen noch rückversichern möchte, ob er ganz sicher richtig liegt.
Diese Fragen versuchte ich jeweils, mit dem Newsletter vorbeugend zu beantworten, den ich regelmässig für meine Kunden gemacht habe. Wichtig ist, dass in so einem Info-Mail ganz konkrete Handlungsempfehlungen stehen, mit denen der Landwirt etwas anfangen kann. Das ist mir, so glaube ich, ganz gut gelungen.
Und die zweite Kategorie an Fragen?
Das sind die vielen spezifischen, herausfordernden Fragen zu Kulturen, die Wachstumsdepressionen aufwiesen. So kam es vor, dass ich teilweise lange und gerne gesucht und gegrübelt habe, bis ich Antworten gefunden habe und damit meine Berufserfahrung erweitern konnte.
Einmal sind es Nematoden, Drahtwürmer oder Erdraupen, einmal Verdichtungen im Unterboden oder ein ungünstiges Magnesium-Kali-Verhältnis. Ein anderes Mal lässt die Kalkversorgung zu wünschen übrig oder bremst ein fehlendes Spurenelement das Wachstum. Der Job hat mir besonders auch in meiner Funktion als Problemlöser sehr gefallen.
Was waren für Sie die persönlichen Highlights im Berufsleben?
Die Feldtage, die ich fünf Mal organisiert habe, waren immer etwas Besonderes für mich. Das hat mich geprägt und auch weitergebracht. Wegen den Feldtagen durfte und musste ich mich immer wieder mit neuen Technologien auseinandersetzen. Das hat mich herausgefordert und mir gleichzeitig aber auch Freude bereitet.
Zudem haben die zahlreichen Anrufe von hilfesuchenden Produzenten – teilweise auch von ausserhalb meines Gebietes – gezeigt, dass meine Arbeit geschätzt wird. Das hat mich immer gefreut.
Nebst Pflanzenschutzmitteln dürften auch Stickstoff und Phosphor vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Welche Auswirkungen wird das in Zukunft haben?
Es ist nicht unrealistisch, dass künftig rund ein Viertel weniger Mineraldünger umgesetzt wird und entsprechend auch dieselbe Menge Nährstoffe bei den Produzenten fehlt. Da braucht es neue Technologien, um effizienter zu werden.
Ein Potenzial sehe ich bei Mikrogranulat-Düngern oder etwa bei neuen Harnstoffprodukten mit Ammonium-Inhibitoren und Nitrifikationshemmern. Mich stört jedoch dabei, dass Langzeitstudien über diese Düngemittel fehlen. Es gibt für mich einige Fragezeichen, wie sich diese Produkte auf das Bodenleben auswirken.
Wir müssen aber so oder so unsere Düngemittel – auch die Hofdünger – gezielt und überlegt einsetzen. Beim Hofdünger wäre bereits viel erreicht, wenn die Gülle gut verdünnt wird.
Welche Trends haben Sie erlebt, die sich nicht durchgesetzt haben?
Das Produkt Twin-N ist so ein Beispiel. Das ist ein Bakterienpräparat, das man auf Pflanzen ausgebracht hat. Die Bakterien sollten Luft-Stickstoff fixieren und der Pflanze zur Verfügung stellen, wodurch man angeblich die Stickstoffgaben deutlich reduzieren könnte. Das Produkt verschwand dann still und leise von der Bildfläche, weil es in der Schweiz nicht funktioniert hat.
Auch die Cultan-Düngung hat nur einen Platz in der Nische gefunden und sich nicht grossflächig durchsetzen können. Was im Ausland funktioniert, passt nicht automatisch auch in der Schweiz.
Was wurde lange Zeit belächelt oder nicht wahrgenommen, bis es Einzug in die Praxis gehalten hat?
Unterfussdüngung wurde lange stiefmütterlich behandelt, ist nun aber an vielen Orten in der Schweiz ein Thema und kommt gerade im Mais, aber auch bei Kartoffeln und Zuckerrüben verbreitet zum Zug.
Gibt es aktuelle Trends, die Sie für die Zukunft als wegweisend erachten?
Die organische Düngung darf auf den Betrieben nicht vernachlässigt werden. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit ist langfristig nur durch eine gute Humusbewirtschaftung möglich.
Bei der Pflanzenkohle und diversen Pflanzenstärkungsmitteln bin ich mir noch nicht sicher, in welche Richtung es geht. Das könnte von Top bis Flop reichen. Ich werde jedenfalls gespannt verfolgen, wie sich diese Geschichten weiterentwickeln.
Am 31. August 2021 ist nach langer Karriere Schluss. Haben Sie sich auf den nächsten Lebensabschnitt vorbereitet?
Ich habe mich vor 20 Jahren erstmals mit der Pensionierung befasst. Unsere Vorsorge ist entsprechend geplant, dass es finanziell keine Probleme geben sollte. Ich habe auch bewusst meine Hobbys wie etwa das Tanzen und Gärtnern weitergepflegt. Nun freue ich mich auf einen sauberen Schlussstrich und bin gespannt, wie es mir dabei ergeht. Ein Jahr lang möchte ich sicher Ruhe und viel Zeit für uns, darauf freue ich mich sehr.
Hans Hirschis Werdegang
Nach der Ausbildung zum Landwirt und dem Studium am «Tech» in Zollikofen trat Hans Hirschi 1985 im Nordwestverband in Gelterkinden BL seine erste Stelle als Agrarmitarbeiter an. Lieferscheine und Annahmescheine für Getreide wurden noch von Hand und mit Schreibmaschine ausgefüllt. Nach drei Jahren wurde er stellvertretender Geschäftsführer.
1990 wurde Hirschi dann Geschäftsführer der Landi Schafmatt AG. 2002 folgte fusionsbedingt der Wechsel zur Landi Oberbaselbiet, wo Hirschi als Geschäftsleitungsmitglied und Leiter Agrar arbeitete.
«Irgendwann habe ich gemerkt, dass das nicht die Tätigkeit ist, die ich bis zur Pensionierung ausführen will», sagt Hans Hirschi. Der Bezug zur Praxis hat ihm zunehmend gefehlt, er war dort vor allem administrativ gefordert.
Als dann die Landi Oberbaselbiet mit der Landi Reba fusionierte und Hans Hirschi ein Job-Angebot als Düngungsberater bei Agroline erhielt, wechselte er in den Aussendienst. Er organisierte unter anderem die Agroline-Feldtage(ab 2020 «Feldtage») und blieb auch nach der Integration von Agroline zu Landor im Jahr 2018 als Aussendienstmitarbeiter tätig.