In seinem neuen Buch «Mehr Wohlstand durch weniger Freihandel» zeigt Mathias Binswanger auf, wieso die meisten Landwirte zu den Verlierern gehören, während sich wenige Grossbauern und ein paar internationale Konzerne zu den Gewinnern zählen dürfen.

Damit zählt Mathias Binswanger gehört zu einer seltenen Species: Er ist ein Ökonom, der den Mythos bezweifelt, dass Freihandel immer und für alle Marktteilnehmer den Wohlstand vergrössert.

Seit dem Zweiten Weltkrieg gilt, dass Freihandel Wohlstand schafft und Protektionismus Wohlstand verhindert. Nur landwirtschaftliche Produkte galten bis in die 1980er-Jahre als Sonderfall. Seit der Uruguay Welthandelsrunde der WTO 1986 ist es damit vorbei: Auch Agrargüter sollen frei gehandelt werden.

Nur wegen ein paar Bauern auf den Freihandel verzichten?

Die Schweizer Politik bemüht sich seither, immer mehr bilaterale Freihandelsverträge mit einzelnen Ländern und Wirtschaftszonen abzuschliessen. Der für die Landwirtschaft überlebenswichtige Grenzschutz soll dabei fallen.

Nur wegen ein paar Bauern, die ihren seit Generationen bewirtschafteten Familienbetrieb aufgeben müssen, will man nicht auf den Export zum Beispiel in die süd- und lateinamerikanischen Mercosur-Staaten verzichten. So tönt es bei der Export-Lobby.

Die Schweizer Landwirtschaft könne durchaus wie andere Wirtschaftssektoren behandelt werden, erklärt dagegen Mathias Binswanger. Höhe und Art des Grenzschutzes seien verhandelbar. «Aber es muss der Grundsatz gelten, dass die Schweizer Landwirtschaft weiter geschützt wird.»

Landwirtschaft ist nicht «nur» Nahrungsmittelproduktion

Rein ökonomisch gesehen sollte sich die Schweiz auf die Produktion und den Export von Gütern und Dienstleistungen spezialisieren, die eine hohe Wertschöpfung erzielen. Mit den Exporterlösen sollten Lebensmittel aus Ländern importiert werden, welche diese billig produzieren können.

Schweizer Landwirte produzieren aber nicht «nur» Lebensmittel unter Bedingungen, die wir über die Agrarpolitik selbst bestimmen können. Sie garantieren die Versorgungssicherheit mit gesunder Nahrung in Krisen-Situationen. Und sie sorgen für die Erhaltung wertvoller Kulturlandschaften und Biodiversität. Nicht zuletzt lebt auch der Schweizer Tourismus zu einem guten Teil vom fotogenen Bild der Land(wirt)schaft.

Dieser zusätzliche Nutzen der landwirtschaftlichen Tätigkeit wird aber bei einer rein ökonomischen Betrachtung ausgeblendet, resümiert Mathias Binswanger. Der Verzicht auf eine landeseigene landwirtschaftliche Produktion und deren Verlagerung ins Ausland verursacht Kosten, die über den Verlust der Eigenversorgung mit Lebensmitteln weit hinausgehen.

Gefragt ist daher kein Wildwuchs eines Freihandels, sondern ein fairer Handel in geordneten Bahnen, erklärt Mathias Binswanger: «In der Schweizer Landwirtschaftspolitik sollten deshalb auch Überlegungen angestellt werden, wie die Bauern wieder verstärkt an der Wertschöpfung in der Lebensmittelproduktion partizipieren können.»

 

«Mehr Wohlstand durch weniger Agrarfreihandel»

«Mathias Binswanger kann einen komplexen Sachverhalt so aufdröseln, dass einem das Lichtlein aufgeht, auch wenn man von Elektrizität nichts versteht.»
Giorgio Hösli / zalp

«Mehr Wohlstand durch weniger Agrarfreihandel: Landwirtschaft und Globalisierung»
Autor: Mathias Binswanger

Picus Verlag, Wien 2020.
120 Seiten
ISBN 978-3-711-72094-8
CHF 21.90