Irgendetwas in den Zellen der Pflanzen – aber was genau macht die «Genschere» CRISPR/Cas eigentlich? Erklärungen sind kompliziert und es ist auch interessanter, das mögliche Endresultat anzuschauen.
Das Forum Genforschung, das der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz SCNAT angegliedert ist, hat dazu in einer Broschüre konkrete Anwendungsbeispiele zusammengestellt. Es handelt sich um Kulturpflanzen, die von ForscherInnen der verschiedensten Länder genomisch verändert wurden. Diese Pflanzen haben auch in der Schweiz ein Potenzial, weil sie vorteilhafte Merkmale besitzen.
Diese Beispiele, welche «die grüne» aus der Broschüre entlehnen durfte, befinden sich alle noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Bis sie bei uns auf den Markt kommen, müssen sie noch weiter entwickelt werden und sich auch auf dem Feld bewähren. Allerdings müsste dazu die Schweizer Gesetzgebung in Bezug auf neue genomische Techniken angepasst werden.
Feuerbrandresistenz beim Apfel
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Aktuelle Strategie
Lange hatte man versucht, das Feuerbrandbakterium mit Quarantäne und dem grossräumigen Fällen von befallenen Bäumen auszurotten. Diese Strategie wurde 2020 aufgegeben. Seither beruht das Schweizer Feuerbrand-Management auf der Wahl robuster Sorten sowie auf der Überwachung und Sanierung von Obstanlagen, der Umsetzung von Hygienemassnahmen und der Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln.
Die meisten der im Handel erhältlichen Apfel- und Birnensorten (wie Braeburn, Gala oder Golden Delicious bei den Äpfeln und respektive Conference oder Williams Christ bei den Birnen) sind hoch anfällig für Feuerbrand.
Potenzial neuer genomischer Techniken
Die Züchtung neuer Kernobstsorten ist ein langer Prozess. Nach einer Kreuzung können die Früchte von Apfelsämlingen erst nach mehreren Jahren zum ersten Mal geerntet und beschrieben werden. Zudem sind meistens mehrere Kreuzungen nötig, um Resistenzeigenschaften mit optimaler Fruchtqualität zu kombinieren. Es dauert bis zu 25 Jahre, bis eine neue resistente Sorte auf den Markt kommt.
Genom-Editierung verfügt über das Potenzial, bereits am Markt erfolgreiche Apfelsorten gezielt resistenter gegen Feuerbrand zu machen, und das deutlich schneller als durch konventionelle Züchtungen. Denn bei der Genom-Editierung sind keine Rückkreuzungen nötig, um unerwünschte Eigenschaften zu verhindern. Ausserdem können mehrere Resistenzmechanismen in einer Sorte kombiniert werden. Dies senkt die Gefahr, dass das Bakterium Resistenzen durchbrechen kann.
Stand der Dinge
Mit CRISPR/Cas konnten ForscherInnen in Pflanzen der Apfelsorten Gala und Golden Delicious ein Gen ausschalten, das ihre Empfindlichkeit für Feuerbrand erhöht.
Die editierten Pflanzen zeigten unter Versuchsbedingungen nach einer Feuerbrandinfektion rund 50 Prozent weniger Symptome.
Ausblick
Falls sich die editierten Apfelpflanzen auch in der Praxis in der Obstanlage bewähren, kann die Strategie auch in anderen anfälligen Apfelsorten angewendet werden.
Kartoffeln mit Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule
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Aktuelle Strategie
Um Kartoffeln vor der Kraut- und Knollenfäule zu schützen, werden sie jährlich sieben- bis acht Mal behandelt, in sehr nassen Jahren sogar bis zu zwölf Mal.
Als vorbeugende Massnahmen bewähren sich die Verwendung von gesundem Saatgut und die Entfernung von Durchwuchskartoffeln aus dem Vorjahr. Ausserdem gibt es einzelne robustere Sorten (Vitabella, Acoustic, Twinner), die zumindest in Feldversuchen deutlich seltener mit Fungiziden behandelt werden mussten.
Potenzial neuer genomischer Techniken
Die Ansprüche an das Aussehen und den Geschmack sowie die Transport-, Lager- und Verarbeitungsfähigkeit von Kartoffelsorten sind sehr hoch. Je nach Verwendungszweck werden auch bestimmte Grössen und Konsistenzen vorausgesetzt. Beim Einkreuzen von Resistenzen aus Wildkartoffeln werden fast immer auch unerwünschte Eigenschaften übertragen, wie zum Beispiel ein hoher Gehalt an den giftigen Glykoalkaloiden. Diese können zwar durch Rückkreuzungen teilweise oder ganz entfernt werden, aber das dauert viele Jahre.
Die Genom-Editierung bietet die Möglichkeit, Sorten, die sich auf dem Markt bewährt haben, in relativ kurzer Zeit resistenter zu machen, ohne die vorteilhaften Eigenschaften zu beeinträchtigen.
Stand der Dinge
Mit CRISPR/Cas laufen erste Versuche zur Verbesserung der Resistenz gegen den Kraut- und Knollenfäule-Erreger Phytophtera. So konnte zum Beispiel unter Versuchsbedingungen gezeigt werden, dass Kartoffeln der Sorte Desirée durch das Ausschalten von zwei Genen deutlich widerstandsfähiger gegen Phytophthora-Befall gemacht werden konnten, ohne das Wachstum der Kartoffeln zu beeinträchtigen.
Ausblick
Sollten sich die Genom-editierten Pflanzen auch unter Feldbedingungen bewähren, hätten sie das Potenzial, Ernteausfälle bei Kartoffeln zu verhindern und gleichzeitig den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Weizen mit tieferen Gluten-Gehalten
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Herausforderung
Wer unter Zöliakie leidet, verträgt kein Gluten. Dieses sogenannte Kleber-Eiweiss kommt in vielen Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste vor. Betroffene müssen auf viele Nahrungsmittel verzichten.
Potenzial neuer genomischer Techniken
Es wird schon lange versucht, stark Gluten-reduzierte Weizensorten zu züchten. Die Bestandteile des Glutens (bestimmte Gliadine und Glutenine), die Allergien auslösen, sind allerdings von einer Vielzahl von Genen beeinflusst. Die Genom-Editierung erlaubt es, gleichzeitig und gezielt viele Gene auszuschalten – etwas, das mittels Kreuzung und Rückkreuzung sehr schwierig ist.
Stand der Dinge
In Brotweizen ist es mit CRISPR/Cas gelungen, den Gliadin-Anteil in zwei Brotweizen- und einer Hartweizen-Linie um bis zu 82 Prozent zu reduzieren, indem man bis zu 35 von 45 Genen ausgeschaltet hat.
Ausblick
Um den Weizen für Menschen mit Zöliakie verträglich zu machen, müsste der Gehalt an Allergie-auslösenden Glutenbestandteilen noch stärker reduziert werden. Damit der Weizen sich weiterhin zum Backen eignet, müssten gleichzeitig andere Glutenbestandteile, die keine Allergie auslösen, erhalten bleiben.
Hier ist weitere Forschung nötig. «Die Erfolgsaussichten dieses Gluten-freien Weizens sind noch sehr unklar», schreibt Michael Kümin, ad interim-Leiter des Forums Genforschung und Autor der SCNAT-Broschüre, auf Anfrage.