Kurz & bündig
- Raps wird tendenziell zu früh gedroschen, obwohl rund zwei Drittel des Ertrages aus den unteren Schoten stammen, die später abreifen.
- Zur Bestimmung des Erntezeitpunktes sollten daher unbedingt die unteren Schoten auf die Reife überprüft werden.
- Die Bestimmung des Erntezeitpunktes ist immer ein Abwägen zwischen Drusch- und Ausfallverlust. Warten lohnt sich.
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Den optimalen Erntezeitpunkt im Raps zu bestimmen, ist eine alljährliche Herausforderung. Es ist eine Gratwanderung zwischen Ausfall- und Ausdruschverlust.
In der Praxis wird der Raps tendenziell eher zu früh gedroschen. «Früher hat man gesagt, der grosse Ertrag komme vom Haupttrieb», sagt Martin Bertschi, Bereichsleiter Pflanzenbau und Agrartechnik am Strickhof.
Das habe dazu geführt, dass der Raps gedroschen wird, sobald die ersten Schoten oben aufspringen und der Bestand weiss erscheint. Das ist aber eher zu früh und das Ertragspotenzial der heutigen Sorten kann somit nicht voll ausgeschöpft werden. Wann ist der optimale Erntezeitpunkt von Raps?
Mehr Ertrag im unteren Teil der Pflanze
Die Bestimmung des Erntezeitpunktes von Raps ist im Vergleich zu Getreide viel schwieriger. Das hat damit zu tun, dass der Raps wegen der vielen Seitentriebe je nach Saatdichte und Witterung unterschiedlich abreift.
Dabei ist zu bedenken, dass heutige Rapssorten deutlich mehr Seitentriebe bilden und damit auch mehr Ertrag geben. Das führt dazu, dass sich tendenziell ein grösserer Teil des Ertrages im unteren Teil der Pflanze befindet. Die unteren Schoten bekommen aber weniger Sonnenlicht, weshalb deren Abreife länger dauert als bei den oberen Schoten.
Die unteren Schoten sind häufig noch sogenannte Gummischoten, die vom Mähdrescher nicht gedroschen werden können. Wenn man also bereits drischt, sobald die oberen Schoten reif sind, dann verliert man viel Ertrag via Gummischoten aus dem unteren Teil der Pflanze.
Ausserdem sind Gummischoten noch etwas feuchter, wodurch die reifen Körner daran kleben bleiben können und somit auch nicht im Tank landen. Dadurch hätte man doppelten Ertragsverlust.
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Dicke der Schotendecke beeinflusst Erntezeitpunkt
Entscheidend für die Abreife ist auch die Dicke der Schotendecke. Das ist der Bereich zwischen der untersten und der obersten Schote an einer Rapspflanze. Die Dicke der Schotendecke wird einerseits von der Sorte beeinflusst, andererseits von der Bestandesdichte. Je höher die Saatdichte, desto weniger Platz haben die einzelnen Pflanzen zur Seitentriebbildung und desto dünner ist die Schotendecke.
Angestrebt wird aber eine dicke Schotendecke, da diese mehr Ertrag bringt. Bei einer dicken Schotendecke sind sicher rund zwei Drittel des Ertrages im unteren Teil der Pflanze und nur ein Drittel im oberen.
Der Nachteil einer dicken Schotendecke ist dafür ein heterogenes Abreifen des Bestandes, weil die unteren Schoten viel weniger Licht erlangen. Das erschwert die Bestimmung des Erntezeitpunktes.
Als Kompromiss zwischen hohem Ertrag und einheitlicherem Abreifen empfiehlt Martin Bertschi deshalb eine mittlere Saatdichte von 35 bis 40 Körner pro Quadratmeter. Dann hat die Rapspflanze ausreichend Platz zur Seitentrieb- und somit zur Ertragsbildung im Vergleich zu einem Bestand mit einer Saatdichte von 50 Körner pro Quadratmeter, wie sie häufig vom Saatguthersteller empfohlen wird. Andererseits reift sie gleichmässiger ab als ein Bestand mit einer Saatdichte von nur 25 bis 30 Körner pro Quadratmeter, welcher dafür eine dickere Schotendecke bildet.
Wie bestimmt man den optimalen Erntezeitpunkt?
«Wichtig ist, dass man, so gut es geht, in den Rapsbestand reinläuft und sich vor allem die unteren Schoten anschaut», sagt Martin Bertschi. Dann sollte man einige Schoten abreissen und in die Hand nehmen.
Wenn man eine Rapsschote nicht mit zwei Fingern rollen und aufbrechen kann, dann kann dies der Mähdrescher auch nicht und somit ist sie noch nicht reif. Wenn noch nicht alle Körner darin schwarz sind, sollte man abwarten mit dem Dreschen. «Die unteren Schoten müssen auch rascheln», erklärt Martin Bertschi. Das heisst, die Körner sind schwarz und hart und somit von der Schote gelöst. Dann ist der richtige Erntezeitpunkt für den Raps. Es kann sein, dass zuunterst immer noch kleine kurze Gummischoten sind. Diese haben aber nur wenige Körner pro Schote und können daher vernachlässigt werden.
Viel wichtiger ist es, möglichst den vollen Ertrag aus den mittleren und unteren Schoten rauszuholen. Dies mit dem Risiko, dass die oberen Schoten aufbrechen und erste Körner ausfallen.
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Das Schoten-Aufplatzen wurde weggezüchtet
«Lieber den Raps später dreschen und dafür etwas Ausfall-Raps vom Haupttrieb in Kauf nehmen», sagt Martin Bertschi. Der optimale Erntezeitpunkt ist immer ein Abwägen zwischen Ausfallverlust und Ausdruschverlust.
Bei den Verlusten ist aber zu berücksichtigen, dass bei den neuen Rapssorten das «Schoten-Aufplatzen» zu einem grossen Teil weggezüchtet wurde. Somit wurde das Risiko von Ausfallverlust deutlich verringert. Das heisst, die neuen, ertragsreicheren Sorten tolerieren beziehungsweise setzen eine spätere Ernte voraus, wenn man das Ertragspotenzial ausschöpfen möchte. Mit dieser Erkenntnis kann man mit gutem Gewissen mit der Ernte zuwarten.
Deshalb empfiehlt Martin Bertschi: «Wenn man zweifelt, sollte man in den meisten Fällen lieber noch warten mit der Rapsernte, sofern nicht gerade ein Gewitter oder Hagelereignis ansteht.»
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Zum Messen braucht es genug Proben
Gleich wie beim Getreide kann der Feuchtigkeitsgehalt auch beim Raps gemessen werden. Hier ist aber Vorsicht geboten. Teilweise wird der Erntetermin nur von der Kornfeuchte abhängig gemacht.
Bei einer Kornfeuchte von acht Prozent heisst es aber nicht zwingend, dass der Raps bereits grösstenteils reif ist. Denn vom Dreschwerk werden nur die reifen Schoten geknackt und die Gummischoten nicht. Das heisst, die unreifen Körner gelangen erst gar nicht in den Kornbunker und man weiss so nicht, wie viel Ausdruschverlust entsteht.
Wenn die Kornfeuchte mit einem Getreidemessgerät gemessen wird, ist es deshalb wichtig, eine möglichst grosse gut durchmischte Probe mit genügend Rapsschoten aus der unteren Hälfte zu nehmen.
Das ist im Rapsbestand etwas schwieriger als im Getreide, da die Pflanzen stark ineinander verwachsen sind. Gerade bei Breitsaaten sind die Bestände sehr dicht. «Es lohnt sich aber, ein paar Meter in den Bestand reinzugehen und zu schauen, wie es unten dran aussieht», erklärt Martin Bertschi.
Nebst dem Erntetermin kann der Tageszeitpunkt der Ernte ebenfalls entscheidend sein. Wenn der Rapsbestand noch nicht ganz reif ist, sollte wenn möglich während der Mittagshitze gedroschen werden, wenn der Bestand abgetrocknet ist.
Bei übermässig reifen Rapsbeständen besser gegen Abend dreschen, wenn die Luftfeuchtigkeit wieder etwas höher ist. So wird die Menge an Ausfall-Raps etwas vermindert.
Mehr Dreschleistung und weniger Verluste bei trockenen Beständen
Bei geringerer Bestandesdichte hat die Pflanze mehr Platz und bildet dickere Stängel, die länger brauchen zum Abtrocknen. Wenn der Stängel noch grün und saftig ist, gelangt zu viel Wasser durch den Drescher. Somit ist die Gefahr gross, dass reife Körner an den feuchten Stängeln kleben bleiben und wieder hinten aus dem Drescher kommen. Das heisst, bei noch grünen Stängeln sollte unbedingt mit dem Dreschen abgewartet oder möglichst hoch gedroschen werden.
Nebst den Ausdruschverlusten ist wegen den grünen Stängeln auch der Durchfluss im Drescher gehemmt. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn der Raps lagert und dadurch tief gedroschen werden muss. Bei trockenen Beständen hat man deutlich weniger Verluste, mehr Dreschleistung und somit einen geringeren Dieselverbrauch. Nerven bewahren und abwarten mit der Ernte lohnt sich also in vielerlei Hinsicht, sofern natürlich das Wetter mitspielt.
Wie sieht die Ernte dieses Jahr aus?
Im Frühling 2023 war der Befall durch den Rapsglanzkäfer ein grosses Problem. Dadurch – und aufgrund der Witterung – war vielerorts die Blütezeit verzögert oder dauerte länger. Dann bilden die Pflanzen immer noch neue Knospen, wodurch die Bestände eher heterogen sind in der Entwicklung. Es könnte sein, dass deshalb die Bestimmung des Erntezeitpunktes beim Raps dieses Jahr besonders schwierig wird.
Dieser hängt aber noch stark von der Witterung ab. Wenn während der Abreife das Wetter trocken und beständig bleibt, wird der Raps homogener abreifen.
Durch den Rapsglanzkäfer haben etliche Bestände hohe Knospenverluste erlitten und somit auch Ertrag verloren. Bei ertragsschwächeren Beständen wird dafür die Abreife homogener verlaufen und somit die Bestimmung des Erntezeitpunktes einfacher sein. Das sollte man sich zu nutzen machen, indem der Erntezeitpunkt nicht zu früh gewählt wird, um das Ertragspotenzial auszuschöpfen.