Kurz & bündig
- Für Samuel Guggisberg war das Kartoffeljahr 2024 so ausserordentlich wie noch kein anderes.
- Die Stimmung bei den Produzenten ist sehr angespannt wegen teilweise tiefen Erträgen und erhöhten Produktionskosten. Es wird befürchtet, dass weitere Produzenten den Kartoffelanbau aufgeben werden.
- Kartoffelproduzenten haben vermehrt mit Schädlingen und Krankheiten zu kämpfen, gegen die wirksame Mittel fehlen. Deshalb ist für Samuel Guggisberg die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln zentral.
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Es rattert und staubt, wenn der Grimme durch die Kartoffeldämme fährt. Samuel Guggisberg gräbt gerade eine Parzelle auf dem Längenberg in Bern. Währenddessen schildert der Kartoffelproduzent und Lohnunternehmer seine Eindrücke von der Ernte 2024: «Von guten Erträgen bis Totalausfall habe ich bisher alles gesehen. So extreme Situationen wie in diesem Jahr habe ich noch nie erlebt.»
Es habe Parzellen gegeben, die man aufgrund des starken Kraut- und Knollenfäulebefalls habe grubbern müssen, da der tiefe Ertrag nicht einmal mehr die Erntekosten hätte decken können.
Doch nicht nur die Kraut- und Knollenfäule, auch SBR, Stolbur und der Drahtwurm haben mancherorts gewütet. Guggisberg selbst verliert etwa 1,5 Hektaren durch den Drahtwurm. «Auf dieser Fläche fehlen mir bei Totalausfall etwa 20 000 Franken, die ich für den ganzen Anbau investiert habe. Wer zahlt mir das?»
Stimmung sehr angespannt und Preise gesenkt
Die Risiken und Herausforderungen im Kartoffelbau nehmen zu, von erhöhtem Schädlingsdruck über Krankheiten zu Wetterextremen. Die letzten drei Anbaujahre 2021 bis 2023 waren sehr anspruchsvoll. Mit dem Jahr 2024 folgt ein weiteres schwieriges Jahr. Entsprechend sei die Stimmung unter den Produzenten sehr angespannt.
Samuel Guggisberg befürchtet, dass weitere Produzenten aus dem Kartoffelanbau aussteigen werden. Die Probegrabungen im August 2024 von Swisspatat ergaben im ÖLN einen durchschnittlichen Nettoertrag von 327 kg/a bei einem Speiseanteil von 81 Prozent. Dieser lag somit zwar deutlich über dem Ertragsschnitt der letzten drei Jahre, aber unter dem langjährigen Mittel seit 2018 mit 340 kg/a. Dieses Ergebnis ist aber erstaunlich gut nach diesem nassen Jahr und dem hohen Krautfäuledruck.
Jedoch hatte die Ernteschätzung mit hohen erwarteten Erträgen zur Folge, dass die Preise für Speisekartoffeln bereits gesenkt wurden. Der Herbstrichtpreis für festkochende Kartoffeln lag 2023 bei 60 Franken pro 100 kg. 2024 wurde der Herbstrichtpreis auf 57.45 Franken gesenkt. Bei den Verarbeitungskartoffeln liegen die Preise im Schnitt höher als 2023, weil dort nach wie vor zu wenig Menge vorhanden ist.
Samuel Guggisberg ist mit den tieferen Preisen für Speisekartoffeln nicht einverstanden, weil die Preise lediglich am erwarteten Ertrag angepasst wurden, nicht aber an den höheren Produktionskosten. «Unsere Mehrkosten für Saatgut und Pflanzenschutz wurden nicht honoriert. Ich hatte etwa 1500 Franken Mehrkosten pro Hektare für zusätzlichen Pflanzenschutz. Diese Kosten werden vom Markt nicht abgedeckt», gibt Guggisberg zu bedenken.
Hinzu kommen auch teilweise höhere Düngekosten für nachträgliche Nährstoffkorrekturen, weil der Regen einen Teil der Nährstoffe in tiefere Bodenschichten verlagert hat.
Immerhin wurden die Übernahmebedingungen bei Kalibergrösse, Backnoten und die Kriterien für Annahmeverweigerung angepasst, um Food Waste zu vermindern.
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Wer Geduld hatte, wird belohnt werden
Zurück zur Ernte. Die grossen Ertragsunterschiede waren vor allem darauf zurückzuführen, wie die Wetter- und Bodenbedingungen beim Setzen waren und ob regelmässig Pflanzenschutz ausgebracht werden konnte oder nicht.
«Wer diesen Frühling Geduld hatte und die Kartoffeln nicht nass gesetzt hat, wird belohnt», erklärt Guggisberg. Die letzten Kartoffeln konnte er erst Mitte Juni setzen. Das war nicht ideal, da die Zeit für die Stärkeproduktion und den Ertragszuwachs zu kurz wurde. Ein früherer Setzzeitpunkt war auf diesen Flächen aufgrund der Nässe aber undenkbar. Als Lohnunternehmer sieht Samuel Guggisberg viele verschiedene Kartoffelparzellen. Er beobachtete, dass Produzenten, die ihren Böden generell Sorge tragen und sie gut auf den Kartoffelanbau vorbereiten, auch in diesem nassen und schwierigen Jahr gute Erträge erzielen konnten.
Dabei gehöre nicht nur die Befahrbarkeit des Bodens dazu, sondern auch die ganzheitliche Nährstoffversorgung über die ganze Fruchtfolge.
Zur Lagerfähigkeit meint Guggisberg, dass diese dank des etwas trockeneren Spätsommers kurz- und mittelfristig gut sein werde. Wegen der vielen Niederschläge sind die Kartoffeln aber rasch gewachsen und konnten daher weniger Nährstoffe aufnehmen. Dadurch ist die Zellstabilität geringer. Das könnte die Langzeit-Lagerfähigkeit negativ beeinflussen. Zudem könnte es auch einzelne Problemposten aus staunassen Parzellen geben.
Was braucht es, um den Kartoffelbau langfristig zu sichern?
Das Anbaurisiko wird mit zunehmendem Schädlings- und Krankheitsdruck weiter steigen. Um die Schweizer Kartoffelproduktion langfristig sichern zu können, plädiert Samuel Guggisberg vor allem für risikomindernde Massnahmen. «Man erwartet, dass wir Kartoffeln produzieren, nimmt uns aber die dazu nötigen Werkzeuge weg.» Aus seiner Sicht bräuchte es Folgendes:
Mehr wirksame Mittel aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zum Schutz vor Kraut- und Knollenfäule (um Resistenzen vorzubeugen) sowie gegen Alternaria und Verticillium.
Wirksame Mittel zur Bekämpfung wichtiger Schädlinge wie Drahtwurm, Kartoffelkäfer und Schilfglasflügelzikaden. Letztere übertragen die Krankheiten Stolbur und SBR.
Umsetzung der Motion Bregy, welche im Januar 2024 angenommen wurde. Diese fordert, dass die in der EU zugelassenen Pflanzenschutzmittel auch in der Schweiz eingesetzt werden dürfen und auf dem Markt zur Verfügung gestellt werden, mit allfälligen nationalen Anpassungen.
Ein unabhängiges Wirkstoffmonitoring, welches von nationalen Forschungsanstalten durchgeführt wird. Dieses soll aufklären, welche Pflanzenschutzmittel noch ausreichend wirksam sind und welche nicht, damit Alternativen entwickelt werden können und Resistenzbildung frühzeitig erkannt wird.
Pflanzenschutzmittel sollten erst verboten werden dürfen, wenn ein alternatives Mittel mit gleichwertiger Wirksamkeit zur Verfügung steht.
Parzellen- und nicht kulturspezifische Produktionssystembeiträge für herbizid- und pflanzenschutzmittelfreien Anbau.
Weiterentwicklung von resistenten Sorten, die Absatz am Markt finden.
Guggisberg sagt, dass der Produzent das volle Risiko trage, vom Anbau bis zur Lagerung der Kartoffeln. Mit fehlenden Pflanzenschutzmitteln werde dieses Risiko immer grösser und erhöhe den Druck auf die Anbaubereitschaft. «Ich finde es tragisch, dass wir in der Schweiz kein unabhängiges Wirkstoffmonitoring haben. Mir ist bewusst, dass dies sehr aufwendig ist. Aber es würde uns helfen, Kenntnis zur aktuellen Lage der Pflanzenschutzmittel zu haben», erklärt Guggisberg. Und von der angenommenen Motion Bregy habe man in diesem Jahr noch nichts gespürt.
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Zucht von resistenten Sorten allein reicht nicht
Die Zucht von krautfäuleresistenten Sorten begrüsst Guggisberg, aber für ihn ist es nicht die Lösung aller Probleme. Er gibt zu bedenken, dass die Entwicklung viele Jahre dauert. Bis 2028 sollen 25 Prozent der Flächen mit resistenten Sorten angebaut werden. Doch was ist mit den restlichen 75 Prozent?
«Wir haben bereits gewisse resistente Stämme beim Krautfäule-Erreger», mahnt Guggisberg. Das Jahr 2024 war die Beweisprobe für resistente Sorten und sie haben diese gut bestanden. Guggisberg befürchtet aber, dass im schlimmsten Fall die Resistenz durchbrochen werden könnte, da sich der Krautfäule-Erreger schnell anpassen kann. Was dann?
Deshalb sei es wichtig, dass parallel zur Sortenentwicklung auch Pflanzenschutzmittel entwickelt werden. Mit zunehmenden Wirkstoffverboten steige das Risiko von Resistenzen zusätzlich. «Ich möchte weiterhin Kartoffeln für die Schweizer Bevölkerung produzieren können. Deshalb sind die oben genannte Massnahmen wichtig», sagt Samuel Guggisberg.
Betriebsspiegel der Familie Guggisberg
Samuel Guggisberg, Zimmerwald BE
LN: 27 ha
Kulturen: Saatkartoffeln, Speisekartoffeln, Industriekartoffeln, Weizen, Braugerste, Raps, ÖLN-Gemeinschaft mit Nachbar
Tiere: 17 000 Mastpoulets in BZG mit Nachbar
Weitere Betriebszweige: Lohnunternehmen rund um Kartoffelbau und Pflanzenschutz, Siloreinigung und -desinfektion, Traktor-Pulling
Arbeitskräfte: 8 Angestellte, 2 Lernende, 5 bis 7 Saisonangestellte
www.guggisbergzimmerwald.ch