Hans Oesch, wie muss ich als Landwirtin vorgehen, um bei der landwirtschaftlichen Kreditkasse einen Kredit zu erhalten?

Hans Oesch: Erst einmal brauchen Sie eine Idee. Sie müssen wissen, was Sie wollen. Diese Aufgabe können wir Ihnen nicht abnehmen. Dann müssen Sie sich überlegen, wie viel das kostet, ob Sie das Geld dazu haben und ob die Investition Ihnen auch wirklich einen Mehrwert bringt.

Wenn die Idee konkreter wird, stellen Sie bei der Kasse ein Gesuch. Dieses Gesuch werden wir prüfen und dann allenfalls weitere Dokumente anfordern. Es kann sinnvoll sein, einen Berater (Treuhänder) um Rat zu fragen. Bei grossen Projekten werden wir sowieso ein Berater-Gutachten anfordern. Aber die Beratung ist nicht in jedem Fall obligatorisch.

Dieses Gesuch müssen Sie bei uns spätestens dann einreichen, wenn Sie das Baugesuch einreichen. Auf keinen Fall dürfen Sie mit dem Bau beginnen, bevor wir den Kredit bewilligt haben. Für begonnene Investitionen dürfen keine Kredite gewährt werden.

Gehe ich vorher schon zur Bank oder komme ich zuerst zu Ihnen?

Es ist sinnvoll, zuerst bei der Kreditkasse anzufragen. Denn die Kreditkassen werden sagen, ob sie das Projekt unter diesen Voraussetzungen unterstützen oder nicht – egal, was die Bank vorher gesagt hatte.

Ausserdem: Wenn die landwirtschaftliche Kreditkasse die Unterstützung zugesichert hat, hilft anschliessend mit grosser Sicherheit auch die Bank. Denn sie weiss, dass wir das Projekt geprüft und für tragfähig befunden haben.

Darf ich während meines Berufslebens mehrmals bei Ihnen einen Kredit beantragen oder ist das eine einmalige Sache?

Bei jedem neuen Investitionsvorhaben kann ein Gesuch eingereicht werden. Wir schauen jedes einzelne an.

Was passiert, wenn sich die Grundvoraussetzungen nach der Kreditvergabe ändern? Ein Beispiel: Ich entscheide mich, von Milchkühe auf Mutterkühe umzustellen und falle unter eine Standardarbeitskraft.

Es ist sinnvoll, vor jeder Betriebsumstellung die Finanzierungspartner zu informieren. Dann können wir den Kreditnehmenden auch sagen, welche Konsequenzen das auf den Kredit haben könnte. Im konkreten Fall hätte das nach heutigen gesetzlichen Grundlagen keinen Einfluss.

Wie sind landwirtschaftliche Kreditkassen organisiert?

Landwirtschaftliche Kreditkassen sind kantonal organisiert. Im Kanton Bern können die Berner LandwirtInnen bei uns, der Bernischen Stiftung für Agrarkredite BAK, ein Gesuch für einen Kredit einreichen. Diese Organisationsform wurde gewählt, weil es die BAK schon seit 1942 gibt. In anderen Kantonen sind es Genossenschaften oder auch der Kanton selbst, welche diese Aufgabe übernehmen.

Sie vergeben zinslose Kredite an LandwirtInnen. 2022 waren es laut Geschäftsbericht Kredite im Umfang von CHF 67,4 Millionen Franken. Woher kommt dieses Geld?

Das Geld stammt aus dem sogenannten «Fonds de roulement». Darin enthalten sind Bundesgelder, die seit 1963 gemäss der Verordnung über Strukturverbesserung SVV sowie über die Verordnung für soziale Begleitmassnahmen in der Landwirtschaft gesprochen werden.

Mittlerweile sind gesamtschweizerisch rund 2,5 Milliarden in diesem Fonds. Der Vollzug, in diesem Fall die Verteilung des Geldes, ist Sache der Kantone. Im Kanton Bern ist die BAK dafür verantwortlich.

Wie verteilen Sie die Gelder?

AboVideoDer Neubau besteht aus zwei Gebäuden:Links wird den Tieren das Futter vorgelegt.Rechts werden unten Tiefstreuboxen installiert.Oben hat es Platz für Maschinen.In der Mitte (noch ohne Fressgitter) wird ein Bereich abgetrennt für die Kälber.Schlau bauenWie Landwirt Lionel Richard den Stallbau finanziertDonnerstag, 22. Februar 2024 Vollzug bedeutet: Wir gewähren den Kredit all jenen Personen, welche die Eintrittskriterien erfüllen. Jedes Projekt wird nach den genau gleichen Kriterien beurteilt. Es müssen alle die gleichen Unterlagen einreichen. Unterschiede bestehen bloss in der Grösse der geplanten Projekte. 

Am Ende wird die Kreditvergabe aufgrund einer Frage entschieden: Ist das Projekt langfristig tragbar?

Wir sprechen den Kredit nur, wenn unsere Berechnungen zeigen, dass die Bauernfamilie ihn tragen kann. Das ist in unserem Interesse – schliesslich wollen wir, dass sie den Kredit zurückzahlen können. Gleichzeitig ist es ein Selbstschutz für die Landwirte.

Wie viel Geld erhalte ich für mein Projekt? Gibt es beispielsweise einen Höchstwert?

Nein, die Obergrenze je Betrieb wurde aufgehoben. Weil wir alle Projekte gleich behandeln, brauchen wir Ansätze, also beispielsweise 6000 Franken pro GVE für einen Stallbau. Wichtig ist, dass nicht nur die Kreditkasse als Geldgeber fungiert, sondern dass der Finanzierungs-Mix (eigene Mittel, Bank, Darlehen, Investitionskredit) stimmt.

Zu welchen Konditionen erhalten die LandwirtInnen bei der BAK Geld?​

Es kommt auf die Massnahme an:

  • Kredite für bauliche Massnahmen haben gemäss SVV-Verordnung eine Rückzahlungsfrist von 20 Jahren. Die BAK setzt den Horizont aber früher an, bei 17 Jahren. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wenn unvorhergesehene Kosten auftreten – beispielsweise eine kaputte Maschine – können die Landwirte ein Gesuch stellen, um die jährliche Tilgungsrate auszusetzen. Ausserdem setzen wir die erste Rate eher später an, um die sowieso belastete Liquidität kurz nach dem Bau zu entlasten. Dank den tiefer angesetzten 17 Jahren haben die Landwirte drei Jahre Puffer.

  • Bei der Starthilfe für Junglandwirte gibt die SVV-Verordnung 14 Jahre vor. Bei uns gelten zehn Jahre, aus dem gleichen Grund wie vorhin erklärt.

Dieses Rückzahlen hört sich happig an. Habe ich einen Baukredit von 250'000 Franken erhalten, zahle ich jährlich 14'700 Franken zurück (250'000 Franken / 17 Jahre).

Nun, sagen wir es so: Billigeres Geld als bei der landwirtschaftlichen Kreditkasse bekommt man nirgends. Aber härteres Geld auch nicht. Was ich damit meine: Bei der Bank kommen Zinsen hinzu. Werden bloss diese Zinsen gezahlt, ist das zwar kurzfristig weniger hart. Aber es werden dabei keine Schulden getilgt und langfristig wird es teurer.

Muss ich denn Schulden abbauen?

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein Schuldenabbau sinnvoll: Jede bauliche Massnahme kommt irgendwann an ihr Lebensende. Zu diesem Zeitpunkt muss wieder investiert werden. Wenn dann die alten Schulden immer noch stehen, erschwert das eine Neuinvestition beträchtlich.

Was geschieht mit dem Geld, das wieder zurückgezahlt wird?

Durch die Rückzahlungen finanzieren wir die Neuauszahlungen. Das geht natürlich nicht in jedem Jahr genau auf. Dann beantragen wir beim Bund eine Umverteilung zwischen den Kantonen.

Welche Institutionen helfen, mein Projekt zu finanzieren?

Landwirtschaftliche Kreditkassen
Starthilfe: Zinsloses, rückzahlbares Darlehen für JunglandwirtInnen unter 35 Jahren. Die Mittel können für den Kauf von Liegenschaften oder Inventar, die Schuldenablösung oder für bauliche Investitionen genutzt werden.
Investitionskredit: Zinsloses, rückzahlbares Darlehen für Kauf, Neu- oder Umbau von landwirtschaftlichen Wohn- und Ökonomiegebäuden.
Betriebshilfe: Zinsloses Darlehen zur Umschuldung und Überbrückung finanzieller Engpässe. Ausserdem kann es verwendet werden, wenn der Betrieb aufgegeben werden muss und Rückzahlungen von Beiträgen oder Krediten fällig werden.

Bank
Hypothek: Bis zur Belastungsgrenze. Im Kanton Bern wird der amtliche Wert × Faktor 1,35 zur Ermittlung der Belastungsgrenze eingesetzt. Mit Zustimmung zur Überschreitung der Belastungsgrenze könne die Hypothek auch höher sein, sagt Hans Oesch. Geregelt ist dies im bäuerlichen Bodenrecht.

Private Organisationen
Schweizer Berghilfe: à-fonds- perdu-Beiträge, ausschliesslich für LandwirtInnen im Berggebiet.
Stiftung zur Förderung von Wohneigentum: Unterstützung für LandwirtInnen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.
weitere private Investoren, beispielsweise via Crowdfunding.