Finnland – das sind Seen, Sauna, Schnee und Rentiere. Finnland ist so gross wie Deutschland, aber etwa mit der Einwohnerzahl der Deutschschweiz. Und Finnland besteht praktisch nur aus Wald. Aber es ist nicht so, wie Donald Trump jüngst behauptete, dass die Finnen ihren Wald von Hand rechen, damit er nicht brennt. Dafür bräuchten sie schon Traktoren. Allerdings haben sie damit Besseres zu tun, etwa Bäume fällen, statt dazwischen zu rechen.

Die Valtra-Traktoren stammen aus einer Fabrik, die ursprünglich Kanonen für die finnische Armee baute

Die Firma Valtra hat ihre Wurzeln in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg. Die damaligen staatliche Kanonenfabrik wurde zur Firma Valmet umfunktioniert. Valmet wurde zum staatlich gelenkten Motor der finnischen Entwicklung mit weit gefächerten Aktivitäten bis hin zu einem Auto-Montagewerk. Darin wurden Porsche Boxster, Saab Cabrios und Lada Samaras zusammengebaut: Spötter behaupteten, dass die Ladas aus den Materialresten der beiden andern zusammengebastelt wurden.

Im Krieg hatten sich die Finnen zwar erfolgreich gegen die Sowjets gewehrt. Am Schluss mussten sie trotzdem riesige Gebiete an die Sowjets abtreten, insbesondere die wichtige Hafenstadt Wiipuri und grosse Teile Südost-Kareliens und die ganze Nordhälfte des riesigen Ladoga-Sees.

Damit war nicht nur ein grosser Teil der Heimat, sondern auch der Geschichte und selbst das Meer unerreichbar geworden. Denn der wichtigste Verkehrsweg für Mittelfinnland, der Saimaa-Kanal, führte nun durch feindliches Gebiet, weil er in Wyborg, wie Wiipuri nun hiess, in die Ostsee mündet. Bis zum Einsturz des Sowjetreiches perfektionierte Finnland deshalb die diplomatische Hochseilartistik.

Und dazu gehörten die Traktoren aus der Kanonenfabrik. Sie dienten sowohl in den eigenen Wäldern, wie als Zahlungsmittel im Tauschhandel gegen Öl, Gas und Strom mit dem grossen, schwierigen Nachbarn. Denn für den Einsatz auf der anderen Seite des Zauns benötigten sie dieselben Eigenschaften wie in den finnischen Wäldern, nur noch ausgeprägter: robust, einfach, leistungsfähig und vor allem kälteresistent.

Die Motoren stammten schon damals von einem anderen Valmet-Kind, der Firma Sisu. Deren Namen lehnt sich an den sagenumwobenen finnischen Waldmenschen an. Sisu bedeutet so viel wie Kraft und Ausdauer, aber sinngemäss auch Bär. Mittlerweile gehören sowohl Valtra, wie auch der der Motorenhersteller Sisu zum AGCO-Konzern.

Der finnische Bärenmotor brummt deshalb nicht nur in den Traktoren von Valtra, sondern auch in jenen der Konzern-Schwestermarken Fendt und Massey Ferguson.

Die Traktoren von Valtra kommen aus der Waldwirtschaft 

In Finnland kommt so gut wie alles aus dem Wald: Die ganze finnische Industrie hat ihre Wurzeln in der Bewirtschaftung der riesigen Wälder, in der Produktion von Holzteer zur Abdichtung der frühen Holzschiffe, im Export von Bauholz für die Industrialisierung des Ostseeraumes, in der Produktion von Papier und Zellulose. Den fauligen Gestank der Zellulosefabriken nennt man auch heute noch in Finnland «Den Geruch des Geldes».

Selbst jene Branchen, die scheinbar nichts mit dem Wald zu tun haben, kommen in Finnland aus dem Wald. Auch Nokia war erst eine Papiermühle, produzierte später Gummistiefel für Waldarbeiter und begann dann, das Gummi auch um Kupfer
zu wickeln, zur Isolation von Strom- und Telefonkabeln. Von dort ging es weiter zur Mobiltelefonie.

Praktisch der ganze finnische Maschinenbau verdankt deshalb seine Existenz dem Wald.

In der Schweiz ist wichtig, dass die Traktoren zu den Anbau-geräten aller Hersteller passen

Bei so viel Wald ist es wichtig, dass man vor lauter Bäumen das offene Feld noch sieht. So hat sich Valtra in den letzten Jahren einen festen Platz vor allem bei den Grünland- und Ackerbaubetrieben erkämpft. Das geht so weit, dass Valtra in Lateinamerika sogar als Full-Liner mit allen Maschinen bis hin zum Mähdrescher auftritt.

In der Schweiz dagegen, betont Verkaufsleiter Christian Walder, ist für Valtra vor allem wichtig, dass die Traktoren mit den Anbaugeräten aller Hersteller kompatibel sind. Auch mit jenen der neuesten Generation, welche per GPS und Isobus den Traktor hochpräzise steuern.

Denn mittlerweile sind 80 Prozent der Schweizer Kunden in der Landwirtschaft tätig. 10 Prozent der Maschinen werden an Kommunen verkauft und nur 10 Prozent arbeiten explizit im Wald.

Doch die Herkunft aus dem Wald hat auch für alle anderen Vorteile. So können etwa eine Forstkabine und auch viele andere Extras direkt ab Werk geliefert werden. Das ist nicht nur günstiger, sondern auch qualitativ besser als eine nachträgliche Aufrüstung beim Händler.

Die Rückfahr-Vorrichtung der Valtra-Traktoren erinnert an das Cockpit von Captain Kirks Raumschiff

Es besteht auch immer eine einheitliche und vor allem vollständige Dokumentation aller Arbeiten. Das ist bei späteren Revisionen oder einem Verkauf entscheidend: Sowohl für den Eigentümer wie auch für den Käufer der gebrauchten Maschine. Dieser ist bereit, für einen Traktor mit einer solchen technischen Dokumentation einen höheren Preis zu bezahlen, weil sie später viel Ärger und Kosten spart.

Ebenfalls stolz ist man bei Valtra auf die Rückfahr-Vorrichtung. Was sich einfach anhört, ist in der Realität praktisch das Cockpit von Captain Kirk im Raumschiff Enterprise. Es lässt sich mit dem Sitz und allen Bedienelementen um 180 Grad drehen, damit der Traktor in genau gleicher Weise rückwärts wie vorwärts fahren kann. Und das Smart-Touch-System mit den entsprechenden Bildschirmen lässt jeden Fahrer alle Hebel und Tasten genau so programmieren, wie er das möchte.

Während die Rückfahrvorrichtungen, Forstkabinen und Frontlader das «Must have» darstellen, gibt es auch das «Nice to have». Das sind die netten Dinge, die man nicht unbedingt braucht, aber trotzdem schätzt.

Im Rahmen des Programms «Unlimited» lässt sich der Valtra-Traktor unlimitiert individualisieren. Denn die Zeiten, zu denen Valtras Traktoren nur viereckig und robust waren und auch dem schwersten russischen Hammer widerstehen mussten, sind vorbei. Während anderswo Henry Fords Regel gilt: «Es gibt jede Farbe, vorausgesetzt, sie ist grün», bietet Valtra schon ohne Aufpreis sieben Grundfarben zur Wahl an.

Und wenn jemand seinen Traktor in glänzendem Gold oder pink metallisiert möchte, bitte sehr, kein Problem.

Gleiches gilt fürs Interieur, wo jeder Wunsch erfüllt wird, inklusive gesteppten Ledersitzen, wie im noblen Auto. Schliesslich verbringt man lange Arbeitstage auf dem Traktor. Die Finnen, als grösste Kaffeetrinker Europas, dürften sich auch gleich Kaffeemaschinen fest in der Führerkabine einbauen lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Das alles passt zu Walders Motto. Er sagt: «Die andern gehen dahin, wo sie können. Wir gehen dahin, wo wir wollen.»

Der Valtra-Kunde kauft auch ein Stücken Finnland– und schätzt eine Reise ins Land der Wälder

Valtra hat sich auf diese Weise in der ganzen Schweiz eine kleine, aber treue Anhängerschaft erkämpft. Der erfolgreichste Valtra-Händler und damit auch die stärkste Marktabdeckung befinden sich im Greyerzerland.

Wichtig ist Christian Walder nicht, wie viel ein Händler verkauft, sondern wie zufrieden nachher die Kunden mit ihren Traktoren sind. «Wenn wir einen Traktor mit 500 Betriebsstunde eintauschen müssen, ist etwas schiefgelaufen», sagt er.

Die Zuneigung der Kunden wird bei Valtra nicht nur mit dem üblichen Shop mit Fanartikeln gepflegt. Valtra organisiert für die Schweizer Eigentümer der finnischen Traktoren regelmässig Reisen nach Finnland.

Christian Walder lacht und sagt: «Wir könnten mittlerweile auch ein Reisebüro aufmachen». Immer wieder fragen ihn Kunden, wann dann endlich mal wieder eine solche Reise stattfinde.

Rauchsauna, kalte Seen, auf Holzbretter genagelte und am Feuer gebratene Lachsstücke und die freundliche, schweigsame Art der Finnen scheinen die Schweizer Bauern zu mögen. Und den finnischen Traktor sowieso.

Landtechnik-Serie
Die Geschichte hinter den Traktoren und Geräten, die in der Schweizer Landwirtschaft gefahren werden.
Heft 01/2018: Fendt/GVS Agrar AG
Heft 02/2018: John Deere/Robert Aebi Landtechnik AG
Heft 03/2018: Claas/Serco Landtechnik AG
Heft 04/2018: Deutz-Fahr / SAME Deutz-Fahr Schweiz AG
Heft 05/2018: New Holland/New Holland Center Schweiz
Heft 06/2018: Kuhn
Heft 07/2018: Massey Ferguson
Heft 08/2018: Steyr/Case Steyr Center
Heft 09/2018: Same/SAME Deutz-Fahr Schweiz AG
Heft 10/2018: Joskin
Heft 11/2018: Lindner
Heft 12/2018: Case IH
Die nächste Folge:
Heft 03/2019: Rigitrac

Finnlands Wirtschaft baut auf Wald
In Finnland kommt so gut wie alles aus dem Wald: Die ganze finnische Industrie hat ihre Wurzeln in der Bewirtschaftung der riesigen Wälder, in der Produktion von Holzteer zur Abdichtung der frühen Holzschiffe, im Export von Bauholz für die Industrialisierung des Ostseeraumes, in der Produktion von Papier und Zellulose. Den fauligen Gestank der Zellulosefabriken nennt man auch heute noch in Finnland «Den Geruch des Geldes».
Selbst jene Branchen, die scheinbar nichts mit dem Wald zu tun haben, kommen in Finnland aus dem Wald. Auch Nokia war erst eine Papiermühle, produzierte später Gummi- stiefel für Waldarbeiter und begann dann, das Gummi auch um Kupfer zu wickeln, zur Isolation von Strom- und Telefonkabeln. Von dort ging es weiter zur Mobiltelefonie.
Praktisch der ganze finnische Maschinenbau verdankt deshalb seine Existenz dem Wald.

Valtra in der Schweiz
Valtra gehört zusammen mit den Marken Fendt und Massey Ferguson zum US-Konzern AGCO und wird in der Schweiz von GVS-Agrar in Schaffhausen vertrieben. Angeboten werden vier Baureihen mit Leistungen von 75 PS bis 405 PS.
In der Schweiz am populärsten sind die beiden kleineren Serien A4 mit 75 bis 130 PS und 20 verkauften Traktoren pro Jahr und die Serie N mit 105 bis 201 PS mit jährlich 30 verkauften Maschinen. Von den grösseren Maschinen der T- und S-Serie konnten 2018 15 Fahrzeuge abgesetzt werden. Gegenüber dem Vorjahr konnten insgesamt
20 Traktoren mehr verkauft werden.
www.gvs-agrar.ch/valtra.php

 

Kurz & bündig
Valtra hat seine Heimat in der finnischen Forstwirtschaft.
In der Schweiz arbeiten aber nur 10 Prozent der Valtra-Traktoren im Wald.
Der Motorenhersteller Sisu gehört ebenfalls zu AGCO und entstammt derselben staatlichen Kanonenfabrik wie Valtra.
Valtra-Fahrer sind Individualisten. Wer unbedingt will, bekommt den Traktor auch in Gold-Lackierung und mit rosa Lederpolstern.