Die Entwicklung freut alle, von intensiv wirtschaftenden Landwirten bis zum Insektenfreund. Der Feldspritzenhersteller Agrifac hat neue Technologien entwickelt, welche unter dem Begriff «Need Farming» neue Verfahren beim Pflanzenschutz ermöglichen. Need Farming bedeutet bedarfsgerechte Landwirtschaft.
Die neuen Technologien beinhalten unter anderem die variable Flüssigkeitsmenge, welche für jede Düse einzeln geregelt werden kann oder eben die Unkrauterkennung mit Kameras. Dabei öffnen sich die Düsen an den bis zu 54 Meter breiten Gestängen nur dann, wenn auch tatsächlich ein Unkraut vorhanden ist. Mit Druckluft werden die Düsen ein- und ausgeschaltet. Gesteuert wird das System über einen Algorithmus, welcher Kamerabilder auswertet und Unkräuter erkennt.
Die Präzision soll sogar bei Geschwindigkeiten bis zu 25 km/h funktionieren. Dabei wird klar, dass das System mit Kameras, welche den Boden oder den Pflanzenbestand vor dem Spritzbalken scannen, blitzschnell reagieren muss. Da sich eine Düse pro Sekunde bis zu hundert Mal öffnen und schliessen kann, sind enorme Rechnerleistungen notwendig. Die Kameras, welche auf dem Gestänge montiert sind, sind mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet. Das heisst, dass die Bilder noch auf dem Gestänge in einem Jobrechner analysiert werden. Dadurch wird das Terminal entlastet, welches noch genug zu tun hat, um zu berechnen, wann sich welche Düse wie lange öffnen soll.
Die Need Farming-Technologien bietet Agrifac derzeit auf der Condor Endurance 2-Feldspritze an. Bei einer Feldvorführung in Oberbipp BE präsentierte Agrifac ein Modell mit 8000-Litern Tankinhalt und einem 36 Meter breiten Spritzgestänge.
Laut Hersteller sind sogar Gestängebreiten bis 54 Meter möglich. Gefertigt wird das Gestänge aus Rundrohren. Die Düsen sind am Rahmen geschützt platziert, wie auch die Druckluftleitungen für die Düsenschaltung oder die Ringleitung mit der Spritzflüssigkeit. Die Maschine wiegt leer 14 Tonnen und hat einen 400 PS-Motor. Mit dieser Leistung fliegt die Maschine mit einer Geschwindigkeit von bis zu 36 km/h über das Feld.
Alle Condor Endurance 2-Feldspritzen verfügen standardmässig über eine Spurbreiten-Verstellung von 100 Zentimetern. Die möglichen Spurbreiten liegen zwischen 190 und 460 Zentimetern. Das dreifach geteilte Gestänge lässt sich zügig in 22 Sekunden auseinander- und zusammenfalten. Die Gestänge-Klappung erfolgt zunächst langsam, wird dann schneller und wird zur Endlage hin wieder langsamer. Damit reduziert Agrifac die Belastungen an den Drehstellen und am Gestänge. Die Ölmenge, die zu den Zylindern fliesst, verändert sich dabei automatisch.
Die Höhenführung des Auslegers wird mit Weitwinkel-Sensoren, montiert am Gestänge, geregelt. Dabei bleibt das Gestänge immer in Balance und kann Maschinenbewegungen leicht ausgleichen und zur Bodenoberfläche oder zur Kultur einen gleichmässigen Abstand halten.
Die Befüllung erfolgt unter der Kabine mit einer absenkbaren Einfüllstation mit Pumpe und Einspül-Schleuse. Der Tank ist zwischen den Achsen angeordnet, wodurch die ausgeglichene Gewichtsverteilung unabhängig der Tankbefüllung gewährleistet ist. Die Feldspritze weiss dank GPS auch immer genau, wo sie sich gerade befindet und kann dadurch, zusammen mit den Einzeldüsenschaltung, Überlappungen vermeiden. Das können auch andere Feldspritzen bereits heute.
Wie von Hand ist eine Einzelstockbehandlung möglich
Die wirklichen Neuheiten an der Feldspritze finden sich in den Need Farming-Technologien. Dazu gehört etwa die Erkennung von Unkräutern. Funktioniert die Feldspritze, wie es der Hersteller verspricht, kann der Spritzmittelbedarf auf unter 10 Prozent gegenüber einer ganzflächigen Anwendung sinken. Dies hätten Versuche in Australien gezeigt, wo Testmaschinen schon länger im Einsatz stehen. Heute sind die Feldspritzen mit Need Farming-Technologie bereits serienreif und können bestellt werden. Wer mit dieser Technik arbeitet, könnte beispielsweise Blacken auf einer Wiese quasi im Einzelstockverfahren behandeln und dabei Spritzmittel einsparen.
Eine Ausbringung anhand einer Applikationskarte ist ebenfalls möglich, beispielsweise beim Krankheitsdruck. So lässt sich bei offenen und windigen Ackerflächen der Fungizidaufwand gegenüber windgeschützten Flächen mit höherem Krankheitsdruck reduzieren.
Ohne Tankmischung direkt ins Spritzsystem
Wird nicht mehr ganzflächig mit der gleichen Menge gespritzt, weiss man nicht, wie viel Spritzbrühe angemischt werden soll. Bisher war die Feldgrösse bekannt, die man mit der Aufwandmenge multiplizierte. Hier gebe es Erfahrungswerte, meinten die Vorführ-Fahrer von Agrifac. Besser ist jedoch das System namens Smart Dose. Smart Dose spritzt das Pflanzenschutzmittel direkt ins Spritzsystem. Die Beimischung erfolgt nach dem Tank fortlaufend in die Spritzleitung. So muss Anwendung nicht vorgängig im Tank angemischt werden. Sobald das Feld fertig bearbeitet ist, muss der Tank nicht gereinigt und leergefahren werden.
Smart Dose ist nicht nur eine Einrichtung, welche beim variablen Mitteleinsatz eine Voraussetzung ist. Es ist eine Technik, welche sich Feldspritzenfahrer schon lange wünschen. Man könnte viel Zeit einsparen und die Flexibilität wäre viel höher, wenn das Pflanzenschutzmittel nur noch beigemischt werden muss. Leider wird Smart Dose erst in 18 Monaten verfügbar sein.
Düsen gleichen die Kurvengeschwindigkeit aus
Bei Kurvenfahrten werden die Düsen am äusseren Balkenende beschleunigt und die Düsen auf der Kurveninnenseite verlangsamt. Hier braucht es eine Korrektur der Aufwandmenge, welche zur effektiven Düsen-Geschwindigkeit passt.
Das kann die neue Agrifac-Spritze, indem sie die Durchflussmenge jeder Düse durch Schliessen und Öffnen reguliert. Pro Sekunde sind bis zu 100 Schaltvorgänge möglich. Dies sorgt für eine jederzeit gleichmässige Bedeckung und weil mit diesem System der Wasserdruck nicht verändert wird, bleibt die Tropfengrösse konstant.
Die neuen Feldspritzen-Technologien von Agrifac zeigen, dass durch Digitalisierung Pflanzenschutzmittel genauer eingesetzt werden können und weniger davon benötigt wird. Es ist zu hoffen, dass die Technik hält, was sie verspricht und zukünftig bei allen Herstellern preiswert angeboten wird. Das wäre dann der Beitrag der Landtechnikhersteller für eine noch ökologischere Landwirtschaft.