Kurz & bündig
- Eine Impfung gegen Kälbergrippe reduziert das Risiko für eine spätere Erkrankung.
- Die vorbeugende intranasale Impfung auf dem Geburtsbetrieb ist besonders empfehlenswert.
- Erst wenn alle mitziehen, ist das Impfen der Tränker ein Erfolgsrezept.
Corona zeigte es einmal mehr: Beim Impfen scheiden sich die Geister. Wie gut, dass die Diskussion über Impfungen unserer Nutztiere nicht ganz so emotional aufgeladen ist! Lassen wir uns doch von Fakten leiten – und tauchen dafür ein wenig ein in die Welt der Immunologie, die sich mit den körpereigenen Mechanismen zur Abwehr von Krankheitserregern beschäftigt.
Bakterien, Viren oder Toxine effektiv abwehren
Wann immer wir als Säugetiere mit potenziell gefährlichen Bakterien, Viren oder anderen körperfremden Substanzen wie Toxinen in Kontakt kommen, wird es gefährlich. Wir müssen diese effektiv abwehren. Dazu hat sich im Laufe der Evolution mit dem Immunsystem ein fein abgestimmtes System von unterschiedlichen Verteidigungslinien entwickelt, das erst unser Überleben zwischen unzähligen potenziellen Krankheitserregern ermöglicht.
Von zentraler Bedeutung ist das System der zellulären Abwehr: Das heisst, Zellen im Blut zirkulieren permanent und eliminieren potenziell gefährliche Eindringlinge – nicht von ungefähr heissen einige dieser Zellen auch Killerzellen.
Teilweise handelt es sich um Zellen, die bereits bei der Geburt auf diese Funktion programmiert sind (sogenannt angeborenes zelluläres Immunsystem), teilweise werden Zellen nach dem ersten Kontakt mit körperfremden Substanzen «scharf geschaltet», so dass sie bei einer weiteren Begegnung mit demselben Stoff besonders schnell und effektiv reagieren.
Angeborene Schutzmechanismen und Antikörper
Neben der zellulären Abwehr sind für die Krankheitsabwehr bestimmte Proteine im Blut wichtig (sogenannte Antikörper bzw. humorale Mechanismen). Wiederum gibt es einerseits angeborene Schutzmechanismen.
Zudem werden Antikörper lebenslang nach Kontakt mit fremden Substanzen oder Strukturen auf Krankheitserregern (sogenannte Antigenen) gebildet. Die Koordination der verschiedenen Komponenten des Immunsystems erfolgt über Botenstoffe, sogenannte Zytokine.
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Eine Impfung löst eine Immunantwort aus
Bei einer Impfung passiert prinzipiell nichts anderes als bei einer natürlichen Infektion: Der Impfstoff provoziert eine Immunantwort, also die Bildung von Antikörpern sowie die Bildung von spezifischen Abwehrzellen. Die daraus resultierende Kombination aus humoraler (Antikörper) und zellulärer (Abwehrzellen) Immunantwort ermöglicht dem Organismus dann bei einem späteren erneuten Kontakt mit dem Erreger dessen schnelle und effektive Eliminierung – das wäre der erwünschte, lang anhaltende Immunschutz.
Impfstoffe enthalten dabei entweder abgetötete Infektionserreger oder deren Toxine (sogenannte Totimpfstoffe) oder die Vakzine besteht aus lebenden Krankheitserregern, die jedoch so abgeschwächt wurden, dass sie die Erkrankung selbst nicht auslösen (sogenannte Lebendimpfstoffe).
Impfungen haben lebensgefährliche Krankheiten ausgerottet
Wie gut das Prinzip der Impfung funktioniert, zeigt sich bei lebensgefährlichen Infektionskrankheiten des Menschen wie Pocken, Keuchhusten, Wundstarrkrampf, Masern und Röteln, die durch systematische Impfkampagnen ausgerottet oder weitestgehend zurückgedrängt werden konnten.
Bei unseren Rindern kennen wir dank erfolgreicher Impfungen Rinderpest, Maul- und Klauenseuche und Brucellose nur noch als recht abstrakte Gefahr im Ausland.
Bringt die Impfung gegen Kälbergrippe etwas?
Aktuell steht insbesondere die Impfung von Tränkerkälbern auf den Geburtsbetrieben gegen Kälbergrippe in der Diskussion, um das Risiko von Atemwegserkrankungen auf dem Mastbetrieb zu vermindern. Wird das aber wirklich viel bringen?
Ja, dafür sprechen mehrere Gründe. Grundsätzlich basiert der Impferfolg darauf, dass nur gesunde, immunkompetente Tiere vorbeugend geimpft werden. Dafür bietet sich der Geburtsbetrieb an. Denn sind die Kälber durch Transportbelastung, Umstallung und die neue Fütterungssituation auf dem Mastbetrieb gestresst, so ist die Immunantwort verändert und der Impferfolg kann ausbleiben.
Impfstoff über die Nasenschleimhaut
Besonders empfehlenswert ist bei Kälbern die Verabreichung eines Lebendimpfstoffs über die Nasenschleimhaut innerhalb der ersten zehn Lebenstage in Absprache mit dem Bestandestierarzt: Einerseits führen abgeschwächte Erreger effektiver zu der besonders wichtigen zellulären Immunantwort. Andererseits entspricht die intranasale Verabreichung dem natürlichen Eintrittsweg des Erregers und stimuliert die Schleimhautzellen, die massgeblich an der Immunantwort beteiligt sind.
Schliesslich können bei intranasaler Verabreichung Antikörper aus der Biestmilch das Impf-Antigen nicht inaktivieren. Nun gilt es nur noch zu beachten, dass es etwa zwei Wochen dauert, bis nach der Impfung ein belastbarer Immunschutz eintritt. Entsprechend sollte diese Frist vergehen, bevor die Kälber in den Handel kommen.
Impfen ist bei Kälbergrippe kein Allheilmittel
Doch ist mit einer Impfung auf dem Geburtsbetrieb der Erfolg garantiert? Leider nicht, Impfen ist bei Kälbergrippe kein Allheilmittel. Werden geimpfte Tiere zu lange transportiert oder ist das Stallklima ausgesprochen schlecht, dann kann auch der beste Immunschutz eine Erkrankung nicht verhindern. Tiergesundheit erfordert gemeinsame Anstrengungen.
Eindeutig hat der Geburtsbetrieb einen massgeblichen Einfluss: Die gute Kolostrumversorgung, das Vertränken von reichlich Milch in den ersten Lebenswochen und eben die Impfung ergeben frohwüchsige Tränker mit guter Konstitution, die mit den Belastungen der Vermarktung und Umstallung in den Mastbetrieb wesentlich besser fertig werden als restriktiv getränkte, ausgezehrte und ungeimpfte Kälber.
Für die Tiergesundheit braucht es Anstrengungen von allen Seiten
Ohne Frage müssen aber auch Handel und Mäster mitziehen, um über eine minimale Transportbelastung und optimierte Aufstallung im Mastbetrieb die Erfolgschancen der Impfung zu erhöhen. Gleichzeitig gilt, dass die Impfung der Kälber flächendeckend erfolgen muss, um ganze Gruppen geschützter Tränker beim Mäster aufstallen zu können – werden nur einzelne Tiere auf wenigen Betrieben geimpft, so bleibt der Aufwand vergeblich.
Nach langen Diskussionen ist es nun wirklich höchste Zeit für eine Branchenvereinbarung einschliesslich der Klärung der Finanzierung, denn so viel ist klar: Die Impfung auf dem Geburtsbetrieb ist ein wichtiges und effektives Mittel, um deutliche Fortschritte bei der Tiergesundheit der Kälber im Mastbetrieb zu erreichen – packen wir es also an!