Kurz & bündig
Ein veraltetes oder falsch abgestimmtes Bremssystem kann zu schweren Unfällen führen – moderne Zweileitersysteme bieten deutlich mehr Sicherheit.
Nur korrekt beladene und technisch einwandfrei kombinierte Fahrzeugkombinationen garantieren stabile Fahrbedingungen und verhindern Überlastung oder Kontrollverlust.
Eine fachgerechte Ladungssicherung ist gesetzlich vorgeschrieben und entscheidend, um ein Verrutschen oder Herabfallen der Ladung während der Fahrt zu verhindern.

 

Bauer Mustermann belud seinen Anhänger mit Siloballen und sicherte diese stellenweise. «Das geht dann schon», murmelte er, als er zur Kontrolle am Spannset zupfte, den Klang für genügend hoch hielt und losfuhr. Die Bremsen waren zwar nicht perfekt abgestimmt, doch er hatte nie ein Problem damit gehabt. Doch plötzlich – ein Autofahrer bremste vor ihm scharf. Reflexartig trat Bauer Mustermann auf die Bremse, doch statt zu stoppen, schob der Anhänger den Traktor von hinten an. Das ungenügend abgestimmte Bremssystem liess den Anhänger ins Schlingern geraten. Die Ballen lösten sich und fielen vom Anhänger, der Traktor kippte und blieb mit einem lauten Krachen auf der Seite liegen. Das hätte verhindert werden können.

Bremssystem? Da war doch was

Das bisher in der Schweiz weit verbreitete hydraulische Ein-Leiter-Bremssystem entspricht nicht mehr den heutigen gesetzlichen Anforderungen an Fahrzeugsicherheit und Bremsleistung, insbesondere im Hinblick auf schwerere Fahrzeuge, höhere Geschwindigkeiten und den Mischbetrieb mit modernen Traktoren.

Wie Josef Amrein von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) erklärt, liegt ein zentrales Problem des alten Systems in der mangelnden Redundanz: Bei einem Druckverlust oder Defekt steht eine geringere Bremswirkung zur Verfügung, was das Risiko für Unfälle erheblich erhöht. Moderne Zwei-Leiter-Systeme – egal, ob hydraulisch oder pneumatisch – bieten hier deutlich mehr Sicherheit, da sie über eine zusätzliche Leitung eine Notbremsung auslösen können.

Fahrzeugkombinationen, bei denen Traktor und Anhänger dem gleichen technischen Stand entsprechen (also beide neu oder beide alt), zeigen ein gut abgestimmtes Bremsverhalten.Problematisch wird es hingegen bei gemischten Kombinationen wie etwa einem Traktor mit hydraulischen 2-Leiter-Bremsen (H2L) mit einem älteren hydraulischen 1-Leiter-Bremsen-Anhänger (H1L). In diesen Fällen sind die Bremsanlagen schlecht aufeinander abgestimmt. [IMG 3]

Josef Amrein macht ein Beispiel: Ein moderner, unbeladener Traktor erreicht bei einem Steuerdruck von rund 4 bar bereits eine Bremswirkung von 50 %, während ein H1L-Anhänger unter denselben Bedingungen nur etwa 13,4 % bremst. Dies hat zur Folge, dass der Anhänger den Traktor bei einer Bremsung wegstösst. Es kommt zum sogenannten «Klappmesser-Effekt» und zu schlimmen Unfällen.

Wie weiter mit den Bremssystemen?

Landtechnik Schweiz hat in einem kürzlich veröffentlichten Artikel (04/25, «Wie weiter mit den hydraulischen Bremsen?») die aktuelle gesetzliche Lage der verschiedenen hydraulischen Kombinationen zusammen-gestellt. Alte Systeme dürfen weiterhin verwendet werden, jedoch müssen sie richtig kombiniert werden. Auch wegen der offenen rechtlichen Fragen empfiehlt Landtechnik Schweiz, wenn immer möglich, pneumatische Bremsanlagen. Für die Zusammenfassung der Kombinationen siehe «Kombinationen der Bremssysteme».

 

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Die Kombination H2L–H2L (hydraulische 2-Leiter-Bremse an Traktor und Anhänger) ist laut Verordnung 2015/68 (Anhang II) zulässig und weist ein gutes Ansprechverhalten auf, insbesondere durch die automatisch lastabhängige Bremskraftregelung (ALB).

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H1L–H1L in Ergänzung zu P2L. Ein hydraulisches 1-Leiter-System in Kombination mit einer pneumatischen 2-Leiter-Bremse (P2L) ist ab Werk seit dem 1. Januar 2025 in der EU verboten (Anhang XIII der Verordnung 2015/68), in der Schweiz noch nachträglich zulässig – mit Prüfaufwand und Haftung durch den Importeur oder Händler. Ob die Herstellergarantie erhalten bleibt, ist muss abgeklärt werden. 

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Die Kombination H2L–H1L ist technisch möglich, z. B. mit einem Adapter (in Italien erlaubt) oder einem «intelligenten» 2-Leiter-Ventil, das den Bremsdruck automatisch anpasst. Eine rechtliche Klärung durch eine Neufassung von Anhang XIII wird im Mai 2025 erwartet, mit möglicher Rückwirkung. 

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Bei H1L–H2L (alter Traktor mit 1-Leiter-Bremse und neuer Anhänger mit 2-Leiter-System) spricht man vom «zurückgesteckten Fahren». Diese Nutzung ist in der Schweiz bis Ende 2025 erlaubt, in der EU jedoch nicht vorgesehen. Ein Vorschlag der Herstellervereinigung CEMA (Anhang XIV) sieht technische Auflagen wie Tempolimit (30 km/h), Adapterlösungen und Warnsysteme vor. Ob dies umgesetzt wird, ist noch offen.
Quelle: Landtechnik Schweiz 04/25, Wie weiter mit hydraulischen Bremsen? 

 

Die Zukunft liegt in der Luft, doch lohnt sich Nachrüsten?

Wie Josef Amrein weiss, darf ein P2L-Bremssystem bei älteren Traktoren nachgerüstet werden, allerdings muss der Einbau durch eine Fachwerkstatt erfolgen und vom Strassenverkehrsamt abgenommen werden. Anbieter stellen passende Bausätze bereit, die auf Typ und Seriennummer des Fahrzeugs abgestimmt sind. Besonders wichtig ist dabei der Einbau eines Lufttrockners. Bei der Abnahme werden verschiedene technische Aspekte geprüft – darunter Dichtheit, Bremsweg und Druckverhältnisse. Da der Umbau als technische Änderung gilt, wird er im Fahrzeugausweis eingetragen. [IMG 2]

Amrein schätzt die Kosten der Nachrüstung auf zirka 5000 bis 9500 Franken. Dies ist nicht wenig Geld, doch dadurch kann sich der Wiederverkaufswert des Anhängers deutlich steigern. Bei Umbauten an Anhängern wird man rechtlich zum Hersteller, was zusätzliche Pflichten wie Gefahrenanalyse und Bremsberechnung mit sich bringt. Heute dürfen nur noch Anhänger in Betrieb genommen werden, welche von professionellen Fahrzeugbauern gebaut oder umgebaut wurden. Eigenbaulösungen ohne technische Berechnungsgrundlagen werden nicht mehr akzeptiert. Für Lohnunternehmer ist Nachrüstung oft weniger relevant, da sie meist ohnehin neuere Fahrzeuge mit pneumatischem Bremssystem nutzen. Wie Amrein betont, sind pneumatische Bremsen langfristig die sicherste und wirtschaftlichste Lösung, selbst wenn man einen Traktor damit nachrüstet.

Ist das Bremssystem richtig abgestimmt oder nachgerüstet, kann der Anhänger beladen werden. Doch was muss alles beachtet werden?

Zulässige Achslasten – was der Fahrzeugausweis vorgibt

Die maximal zulässigen Achslasten sind im Fahrzeugausweis des jeweiligen Traktors und Anhängers vermerkt und dürfen nicht überschritten werden. Eine Überlastung kann zu erhöhtem Verschleiss, eingeschränkter Lenkbarkeit und verlängertem Bremsweg führen. Zudem muss die Tragfähigkeit der Reifen berücksichtigt werden, da diese die Achslast ebenfalls begrenzen kann. ​ 

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Adhäsionsgewicht – Traktion sichert Kontrolle

Seit dem 1. Februar 2019 schreibt die Verkehrsregelnverordnung (VRV) in Artikel 67 Absatz 4a ein Mindestadhäsionsgewicht von 22 % des Betriebsgewichts für landwirtschaftliche Fahrzeugkombinationen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit über 25 km/h bis 40 km/h vor. Das bedeutet, dass mindestens 22 % des Gesamtgewichts der Fahrzeugkombination auf den angetriebenen Achsen lasten müssen. Bei einem Gesamtzuggewicht von 40 t müssen demnach mindestens 8,8 t auf den Antriebsachsen liegen. ​

Stützlast – die Balance muss stimmen

Die Stützlast ist die vertikale Last, die der Anhänger auf die Kupplung des Traktors ausübt. Sie darf den im Fahrzeugausweis angegebenen maximalen Wert nicht überschreiten. Eine zu hohe Stützlast kann die Hinterachse des Traktors überlasten und das Lenkverhalten beeinträchtigen. [IMG 4]

Lenkachsbelastung – entscheidend für die Fahrstabilität

Gemäss Artikel 73 Absatz 1 der Verkehrsregelnverordnung (VRV) muss die Lenkachse eines Fahrzeugs mindestens 20 % des Betriebsgewichts tragen. Dies ist entscheidend für die Lenkbarkeit und die allgemeine Fahrstabilität. ​

Für eine präzise Planung und Überprüfung der Achslasten und des Adhäsionsgewichts stehen verschiedene Excel-Tools zur Verfügung, beispielsweise von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) oder vom Strickhof. Diese ermöglichen eine rechnerische Überprüfung und Optimierung von Fahrzeugkombinationen.

Es ist ratsam, regelmässig die Achslasten durch Wägen zu kontrollieren, insbesondere bei wechselnder Beladung oder unterschiedlichen Anbaugeräten, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

Ladungssicherung – rechtlich gefordert, praktisch unverzichtbar

Gemäss den Vorgaben der schweizerischen Verkehrsregelnverordnung (VRV) muss die Ladung so gesichert sein, dass sie bei normaler Fahrt, einer Notbremsung oder beim Ausweichen nicht verrutscht, umkippt oder herabfällt. Die Sicherung kann dabei kraftschlüssig durch Nieder- oder Direktzurren (z. B. mit Zurrgurten) oder formschlüssig (z. B. durch Bordwände, Rungen oder Aufbauten) erfolgen. In der Praxis ist oft eine Kombination beider Methoden am effektivsten. Tipps für eine wirksame Ladungssicherung:

Zurrmittel richtig einsetzen: Verwenden Sie geprüfte Zurrgurte mit ausreichender Belastbarkeit (LC- oder STF-Wert) und prüfen Sie diese vor dem Einsatz auf Beschädigungen. Zurrmittel müssen einmal jährlich kontrolliert werden (Sichtkontrolle) – Gurte mit Rissen, ausgefransten Nähten, defekten oder verformten Ratschen oder Haken, fehlender Etikette dürfen nicht mehr eingesetzt werden.

Zurrpunkte beachten: Nutzen Sie nur die vom Hersteller vorgesehenen und ausreichend dimensionierten Zurrpunkte. Bei landwirtschaftlichen Anhängern über 3,5 t sind diese gesetzlich vorgeschrieben.

Reibung erhöhen: Antirutschmatten unter der Ladung erhöhen den Reibwert und verringern die benötigte Vorspannkraft erheblich. So lassen sich Sicherungskräfte effizienter übertragen.

Ladungsverteilung planen: Schwere Ladung gehört nach unten und möglichst mittig über die Achsen. Eine ungleichmässige Lastverteilung kann sich negativ auf das Fahrverhalten und die Stützlast und damit das Fahrverhalten auswirken.

Formschluss nutzen: Wenn möglich, sollte die Ladung formschlüssig gegen die Stirn- und Seitenwände gepackt werden. Dies reduziert den Bedarf an zusätzlicher Zurrkraft. Zum Formschluss können auch weitere Hilfsmittel wie leere Paletten eingesetzt werden.

Ladung gegen Bewegung sichern: Besonders bei runden oder instabilen Gütern wie Siloballen oder Baumstämmen sind Netze, Rungen, Ballenzurrgurte oder spezielle Aufbauten erforderlich, um ein Wegrollen oder Kippen zu verhindern.

Ladungshöhe und Überhang beachten: Die Ladung darf weder übermässig hoch aufgeschichtet noch auf alle Seiten über das gesetzlich erlaubte Mass hinausragen. Die freie Sicht des Fahrers, mindestens 100 m nach hinten, muss mit ausziehbaren Spiegeln gewährleistet werden.

Kontrollgang vor Abfahrt: Vor jeder Fahrt ist ein sorgfältiger Rundgang Pflicht: Sind alle Gurte straff? Ist die Ladung stabil? Sind die Markierungstafeln und das Kennzeichen sichtbar? Funktioniert die Beleuchtung? Funktioniert die Bremse (Bremsprobe)? Nur so lassen sich gefährliche Mängel frühzeitig erkennen.

Digitale Tools für optimale Lastenverteilung

Für die korrekte Planung von Achslasten und Adhäsionsgewichten stehen digitale Hilfsmittel wie Excel-Rechentools zur Verfügung – beispielsweise von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) oder vom Strickhof. Diese Tools ermöglichen eine präzise rechnerische Kontrolle und helfen dabei, problematische Beladesituationen frühzeitig zu erkennen.

Darüber hinaus kann durch eine gezielte Berechnung der Lastverteilung nicht nur die Sicherheit im Strassenverkehr und auf dem Feld gewährleistet werden, sondern auch die Nutzlast optimiert werden. Dies erlaubt es, das Ladevolumen pro Fahrt bestmöglich auszunutzen und dadurch effizienter zu wirtschaften.

Sicherheit beginnt an der Deichsel

Ob Bremssysteme, Achslasten oder die richtige Ladungssicherung – die Sicherheit im landwirtschaftlichen Transport beginnt nicht erst auf der Strasse, sondern bei der Wahl und Kombination der Technik. Wer sich mit den geltenden Vorschriften auseinandersetzt, seine Fahrzeugkombination regelmässig überprüft und bei Bedarf nachrüstet, investiert nicht nur in die eigene Sicherheit, sondern auch in den Werterhalt seiner Maschinen. Denn eines ist klar: Mit moderner Technik, klarem Verantwortungsbewusstsein und etwas Mehraufwand lässt sich das «Desaster an der Deichsel» vermeiden – zum Schutz von Mensch, Maschine und Umwelt.