Kurz & bündig
- Bei einem grösseren Fruchtbarkeitsproblem muss der Blickwinkel erweitert und Kühe, Fütterung und Stall beurteilt werden.
- Es ist eine grosse Herausforderung, hochleistende Kühe in kleinen Herden zu halten und mit Einzelkomponenten zu füttern.
- Eine separate Fütterung der Galtkühe sollte stets angestrebt werden.
- Die Kraftfuttergaben sollten 2 kg pro Gabe nicht überschreiten.
- Die Qualität des Grundfutters ist für eine pansengerechte Fütterung von Hochleistungskühen entscheidend.
Auf unserem Beispielbetrieb im Emmental ist der Wurm drin: Auf dem Hof ist mit dem Generationenwechsel von Simmental-Kühen auf Holsteiner und Fleckvieh umgestellt wurde. Die Leistung ist auf etwa 9000 kg gestiegen.
Die 25 Kühe werden im Anbindestall gehalten und mit Einzelkomponenten gefüttert. Der höheren Leistung wird Rechnung getragen, indem die Kraftfuttermenge erhöht wurde.
Den Blickwinkel erweitern
Nun werden die Kühe aber nicht mehr trächtig. Bei der tierärztlichen Untersuchung wurde festgestellt, dass auf den Eierstöcken entweder Zysten oder keine funktionalen Gebilde zu finden waren. Doch auch der vermehrte Einsatz von Spiralenprogrammen führte nicht zum erwünschten Erfolg.
Im ersten Teil dieser Serie haben wir Gebärmutter, Eierstöcke und die Möglichkeiten einer hormonellen Beeinflussung genauer betrachtet. Da der erwünschte Erfolg ausblieb, erweitern wir den Blickwinkel.
Kühe unter der Lupe: Kotkonsistenz und Körperkondition
Bei jeder Kuh können neben der gynäkologischen Untersuchung noch weitere wichtige Befunde erhoben werden, so zum Beispiel Kotkonsistenz und Körperkondition. In diesem Betrieb zeigten die Kühe auffällig oft zweiphasigen Mist.
Wenn man diesen in der Hand auspresste, floss viel Flüssigkeit ab und zurück blieben lange Fasern (> 2 cm) und unverdaute Körner. Ein typischer Befund für Kühe, die unter schleichender Übersäuerung des Pansens (SAPA = subakute Pansenazidose) leiden.
Im Rahmen der Bestandesbetreuung wurde die Körperkondition der Kühe sowie auch Krankheiten regelmässig erfasst. Der Verlauf der Körperkondition übers Jahr zeigte, dass die Kühe beim Abkalben zu schwer waren und in den ersten 100 Tagen der Laktation viel Gewicht verloren (bei mehr als 20 % der Herde 0,5 BCS-Punkte oder mehr).
Ausserdem wurde innerhalb eines Jahres bei drei Kühen eine Labmagenverlagerung diagnostiziert.
Fütterung: Auf die Energieversorgung achten
Obwohl ein kostspieliges Starterfutter verwendet wurde, bestand durch die starken Gewichtsabnahmen der Verdacht auf ein Energiedefizit anfangs Laktation.
Bei einer Energie-Unterversorgung in der Startphase werden eigene Körperreserven mobilisiert. Wenn zu viel Körperfett «verbrannt» wird, entstehen sogenannte Ketonkörper, die den Stoffwechsel zusätzlich belasten, den Appetit reduzieren und das Problem des Energiemangels weiter verschärfen.
Es entsteht eine Ketose, welche wiederum das Risiko für eine Labmagenverlagerung erhöht und den Hormonhaushalt beeinträchtigt, so dass vermehrt Zysten entstehen.
Ein Energiemangel kann auch dazu führen, dass die Kühe nach der Besamung zwar trächtig werden, den Embryo aber schon früh wieder verlieren (Resorption). Häufig lässt sich in solchen Fällen ein verlängerter Zyklus beobachten.
Proteinwerte unter 3 %
Die Analyse der Milchinhaltsstoffe (v.a. Protein-, Fett- und Harnstoffgehalte) ergab ebenfalls eine Energie-Unterversorgung. Die Proteinwerte lagen bei allen Kühen bis zum 100. Laktationstag unter 3 %. Bei einem Harnstoffwert von durchschnittlich 20 mg/dl konnte davon ausgegangen werden, dass die Bausteine für die Proteinbildung im Pansen (Eiweiss und Harnstoff) demnach vorhanden waren, doch die Arbeitskraft (Energie) dazu fehlte.
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Schweizer Betriebe erzielen je nach Strategie häufig Leistungen, die mit den grossen Betrieben im nahen Ausland vergleichbar sind. Die Herdengrössen sind aber mehrheitlich kleiner.
Dadurch ergeben sich andere Herausforderungen: Die Einteilung in Leistungsgruppen ist erschwert und eine Mischration nicht immer machbar. Unweigerlich stossen solche Systeme immer wieder an ihre Grenzen.
Futter untersuchen, Kühe vor dem Verfetten bewahren
In unserem Beispielbetrieb wurden folgende Risikofaktoren aufgedeckt:
- Fehlende Untersuchungen des Grundfutters. Vor allem Dürrfutter aus Raigräsern hat je nach Erntezeitpunkt einen sehr hohen Zuckergehalt, so dass dies zu einer weiteren Verschärfung der Situation hinsichtlich SAPA beigetragen haben könnte, weil der schnell fermentierbare Zucker im Pansen erheblich zur Absenkung des pH-Werts beiträgt.
- Hohe Leistungen erfordern in der Gesamtration eine Energiedichte von 6,8 bis 7 MJ NEL/kg TS. Wenn Grundfuttermittel Energiegehalte von weniger als 6 MJ NEL haben, kann Kraftfutter diese Ausgangssituation häufig nicht ausreichend kompensieren und geht zu Lasten einer guten Pansengesundheit.
- Das Kraftfutter wurde bisher auf zwei Gaben am Tag verteilt, was zu Mengen von 3 kg oder mehr pro Gabe führte. Dies verursachte eine rasche temporäre Senkung des Pansen-pH und begünstigte die Pansenübersäuerung.
- Anbindehaltung ermöglicht, dass die Kühe sich bei ihren Nachbarinnen bedienen. Bei gleichzeitiger langer Serviceperiode war die Verfettung bei nachlassender Milchleistung am Ende der Laktation vorprogrammiert. Der gut gemeinte Korrekturversuch durch Weglassen einer Anfütterung zwei Wochen vor der Kalbung verschärfte die Situation zusätzlich. Kühe sollen möglichst an die spätere energiedichtere Ration gewöhnt werden. Der Pansen benötigt Zeit, um sich auf die höhere Energiezufuhr vorzubereiten (vor allem Bildung von Pansenmikroben, die leicht fermentierbare Kohlenhydrate verarbeiten sowie die Bildung einer grossen Resorptionsoberfläche im Pansen).
- Gleichzeitig ist bekannt, dass verfettete Kühe rund um die Abkalbung signifikant weniger Trockensubstanz aufnehmen als normal konditionierte Kühe.
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Anders füttern, Galtkühe separat halten
Nach der Analyse des Grundfutters wurden für den Betrieb folgende Massnahmen vorgeschlagen:
- Ein neuer Rationsplan soll erstellt werden. Der Einsatz energiereicher Futtermittel, die den Pansen weniger belasten, können je nach Analysenergebnis ergänzt werden (z.B. Zuckerrübenschnitzel, die vor allem Pektine enthalten).
- Kraftfutter ist auf diesem Leistungsniveau meistens unerlässlich. Jedoch sollten die Gaben auf drei Mahlzeiten am Tag verteilt werden.
- Verlängerung der freiwilligen Wartezeit mit der Faustregel: maximale Milchleistung × 2 = minimale freiwillige Wartezeit (z.B. 40 kg × 2 = 80 Tage).
- Anwendung von Hormonprogrammen frühestens ab dem 100. Laktationstag.
- Anfütterung der Kühe etwa 14 Tage vor dem geplanten Abkalbetermin beginnen; d.h. das Laktationskraftfutter wird beginnend mit 500 g bis zur Abkalbung in kleinen Schritten bis auf 2 kg gesteigert. Im Sommer müssen die Kühe zu diesem Zweck in den Stall geholt werden.
Verfetten der Kühe vermeiden ist im Anbindestall schwierig
Eine Verfettung der Kühe Ende Laktation und in der Galtphase sollte vermieden werden. Doch die Realisierung ist in der Anbindehaltung schwierig.
Folgende drei Lösungsvorschläge für die Galtkühe wurden diskutiert:
- Fressplätze abtrennen: Sehr effektiv, doch Behinderung bei der Reinigung der Futterachse
- Galtkühe zeitweise zurückbinden: Notlösung, denn eigentlich sollte sich auch eine Galtkuh den Pansen füllen, nur eben nicht mit derselben Energiedichte wie die laktierende Kuh. Erfordert konsequentes Handeln.
- Galtkühe separat halten: Gute Lösung; im Sommer durch separate Galt-Weide realisierbar. Im Winter müssen die Kühe in der Anbindung zusammengestellt werden.
Wie ging es auf dem Betrieb weiter?
Mit diesen Massnahmen konnten die Fruchtbarkeit und die Gesundheit der Kühe massgeblich verbessert werden, auch wenn der Erfolg nicht von heute auf morgen eingetreten ist.
Die verbesserte Gesundheit führte auch zu einem guten Betriebsergebnis. Dies ergab für den Zeitaufwand der separaten Galt-Kuh-Fütterung und der zusätzlichen dritten Kraftfuttergabe einen erheblichen «Stundenlohn».
Der Junior-Landwirt will mittel- bis langfristig in einen Stallneubau sowie einen Futtermischwagen investieren.
Und die Spiralen? Fazit ist, dass Spiralenprogramme bei einer einzelnen Problemkuh durchaus Sinn machen, nicht aber als Lösung eines Bestandesproblems mit nicht-tragenden Kühen.