Kurz & bündig
- Salome Wägeli rät jedem Betrieb zu einer Vollkostenrechnung.
- Aktuell ist die Nachfrage nach Plätzen in Aktivställen gross.
- Eine interessante Alternative kann für Landwirte sein, Pensionsplätze zu vermieten, bei denen die Besitzer die Stallarbeit selber übernehmen, Heu und Stroh aber bei ihm beziehen.
- Individualität ist sehr kundenfreundlich, bringt aber administrativen Aufwand.
Welches sind die grössten preisbildenden Unterschiede zwischen den Anbietern?
Salome Wägeli: Den grössten Unterschied macht eine Reithalle aus und ob die Box einen Auslauf hat oder nicht. Früher waren Plätze in Offenställen per se viel günstiger als Auslaufboxen. Das ist heute nicht mehr so. Offenställe, vor allem, wenn sie im Stil eines Paddock-Trails, Bewegungs- oder Aktivstalles gestaltet sind, werden heute gut nachgefragt. Solche Ställe haben im Moment kaum mit der Nachfrage zu kämpfen und führen sogar oft eine Warteliste. Regional gibt es grosse Preisunterschiede.
Ein Betriebsleiter hat das Rüstzeug und die Motivation, um Pensionspferde zu halten. Wie soll er bei der Preisbildung ganz konkret vorgehen?
Ich rate jedem Landwirt, eine Vollkostenrechnung für den Betriebszweig «Pensionspferde» zu machen. Man kennt dann seinen Deckungsbeitrag und weiss, wie viel der einzelne Boxen-Platz wirklich kostet. Dafür muss man aber alle dazugehörigen Kosten einschliessen – eine Rechnung, die nicht zu unterschätzen ist. Man kann sich dafür auch Hilfe vom Treuhänder oder Berater holen. Das lohnt sich.
Warum ist eine Kostenrechnung so wichtig?
Auf landwirtschaftlichen Betrieben wird oft der Fehler gemacht, dass einige Kosten nicht berücksichtigt werden, weil sie ja sowieso anfallen. Das resultiert in Pensionspreisen, die nicht kostendeckend sind – und das hat negative Folgen auf den Markt.
Meistens sind es die Arbeitskosten, die unterschätzt werden. Schon nur ob, jemand dreimal oder sechsmal am Tag füttert, macht einen sehr grossen Unterschied. Hinzu kommt häufig der Gedanke: «Ich bin ja sowieso da», oder «das Futter habe ich ja sowieso.»
Ein anderes Beispiel sind die Boxen-Plätze, welche mit Abschreibung und Unterhalt in die Kalkulation einfliessen müssen. Oder Kosten, die auf die Betriebszweige aufgeteilt werden müssen, z.B. die Stromkosten.
Kann man auf die Kosten-Ansätze aus dem Wirz-Kalender, Agriexpert, Agroscope usw. zurückgreifen?
Nur bedingt. Die Unterschiede zwischen den Preiskatalogen sind sehr gross, weil die Betriebe alle sehr unterschiedlich sind. Am besten rechnet man mit den tatsächlichen Kosten seines Betriebs, auch wenn man zum Teil Annahmen treffen muss.
Das schlimmste wäre, gar keine Kostenrechnung zu machen. Deshalb lieber eine rudimentäre als gar keine. Dann weiss man immerhin, in welche Richtung es in etwa führt.
In ländlichen Gebieten sind die Pensionspreise per se viel tiefer als in Stadtnähe. Wie kann der Betriebszweig «Pensionspferde» trotzdem wirtschaftlich sein?
Ein tiefer Pensionspreis muss nicht heissen, dass die Wertschöpfung schlecht ist. Meistens sind die Kosten in Stadtnähe höher, beispielsweise die Bodenpreise. Und oft haben stadtnahe Betriebe zu wenig betriebseigenes Futter und kaufen dieses teurer zu. Und neben den Kosten muss man auch sein Umfeld betrachten: Wie ist die Nachfrage? Gibt es überhaupt Kunden? Es gibt Regionen, da nützt der schönste Stall und der tiefste Preis nichts.
Als nächstes sollte man die Konkurrenzpreise anschauen. Gibt es einen ähnlichen Stall mit einem vergleichbaren Angebot? Die Preise eines Auslauf-Boxen-Anbieter lassen sich nicht mit den eines Offenstall-Anbieters vergleichen. Und ein Reitplatz oder gar eine Reithalle haben einen grossen Einfluss auf den Pensionspreis.
Die Preisdifferenzen in der Schweiz sind sehr gross. Und im Moment steigt die Anzahl leerer Boxen an. Für die Pensionsstallbetreiber heisst das, dass sie ein Angebot schaffen müssen, das der Nachfrage der Pferdebesitzer entspricht – und das zu konkurrenzfähigen Preisen. Denn das Preis-/Leistungsverhältnis ist für Sportreiter wie auch für Freizeitreiter äusserst relevant, wenn es um die Wahl des Stalles geht.
Agroscope-Studie 2013 – Wie wirtschaftlich ist die Pensionspferdehaltung: Eine Analyse dreier Betriebstypen auf Basis von Fallbeispielen. Zur Studie
«Aufpreis pro einzelne Leistung» oder «Aufpreis oder Package»: Was ist besser?
Das hängt sehr von der Gestaltung des Betriebes ab. Man muss sich fragen: «Was macht für meinen Betrieb, für meine Abläufe, für meine Angestellten am meisten Sinn?» Der Kunde möchte am liebsten individuell betreut werden und er möchte nicht für eine Leistung Geld ausgeben, die nie stattgefunden hat. Er möchte aber trotzdem flexibel sein und diese Leistungen bei Bedarf kurzfristig dazu buchen.
Ein Beispiel «Pferd auf die Weide führen»: Es kann sein, dass ein Betrieb am Wochenende plötzlich fünf Pferde mehr auf die Weide bringen muss als geplant. Für spezialisierte Grossbetriebe ist das meist kein grosses Problem – für Kleinbetriebe, die keine oder nur einen Angestellten und noch andere Betriebszweige haben, je nach dem schon. Denn es muss jemand auf Abruf da sein.
Individualität ist sehr kundenfreundlich, aber administrativ auch sehr aufwändig und die Fehlerquelle ist gross. Kleine Betriebe müssen sich gut überlegen, ob sie das wirklich anbieten wollen. Wer sich für die Individualität entscheidet, sollte sich die Umsetzung gut überlegen. Potenzial sehe ich in «Packages» mit einer Mindestlaufzeit von z.B. einem oder mehreren Monaten. So hat man eine gewisse Planungssicherheit. Die Packages sind auch einfacher abzurechnen als die einzelnen Aufpreise pro Leistung.
Ausserdem ist bei der Preisgestaltung eine transparente Kommunikation unablässig:
- Welche Leistungen sind im Preis inbegriffen?
- Welche nicht?
- Was kostet extra?
- Was biete ich nicht an?
Wenn diese Transparenz da ist, kann sich der Kunde entscheiden und das wiederum führt zu einer fairen Preiswahrnehmung. Früher sprach man kaum über die Pensionspreise. Heute ist das ganz anders und ich empfehle: Seien Sie transparent und geben Sie die Preisliste heraus, am besten online. Die Leute sprechen sowieso miteinander und kennen die Preise früher oder später dann doch.
Beeinflusst die Corona-Pandemie die Nachfrage nach Pensionsplätzen?
Viele Leute wurden in den letzten Monaten viel flexibler. Und wir stellen auch fest, dass manche Pensionsnehmer mehr Zeit bei ihrem Pferd verbringen. Es könnte sein, dass in naher Zukunft auch noch ein wirtschaftlicher Druck hinzukommt, also dass man sich ein Pferd nicht mehr alleine, sondern zu zweit oder zu dritt anschafft.
Aus diesen Gründen kann ich mir gut vorstellen, dass die Nachfrage nach Boxen-Plätzen steigt, bei denen sich die Pferdebesitzer selber oder untereinander in der Stallarbeit organisieren.
Für landwirtschaftliche Betriebe könnte dies eine interessante Alternative sein. Sie könnten die Plätze an die Bedingung knüpfen, dass die Pferdebesitzer das Heu und Stroh über den Betrieb beziehen. Der Landwirt könnte auch hin und wieder gegen einen Aufpreis den Wochenend-Dienst übernehmen. Aber die ganze Betreuung fällt weg. Auch einen Pensionsvertrag gibt es in diesem Modell nicht. Die Vertragsbeziehung kann über einen Mietvertrag geregelt werden – was durchaus rechtliche Vorteile bringt.
Zur Person
Salome Wägeli (36) leitet seit 2016 das Nationale Pferdezentrum Bern. Das NPZ beschäftigt 55 Mitarbeiter und beherbergt über 140 Pferde. Jährlich werden über 300 Ver-anstaltungen durchgeführt, der Jahresumsatz beträgt knapp 6,2 Mio. Franken. Daneben hat Salome Wägeli an der HAFL einen Lehrauftrag für «Wirtschaft und Recht rund ums Pferd». Sie gibt am Inforama Weiterbildungen wie z.B. der Kurs «Preisgestaltung in der Pensionspferdehaltung» und unterrichtet für die Höhere Fachprüfung «Experte/Expertin der Pferdebranche». Salome Wägeli hat einen Master in Agribusiness und promovierte in Agrar- und Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel (D).
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