Rätisches Grauvieh
Das Rätische Grauvieh ist eine alte Rasse, die heute als gefährdet gilt – nachdem sie zuvor ganz aus der Schweiz verschwunden war. Heutige ZüchterInnen setzen auf Erhaltungszucht, wobei sie vom Bund unterstützt werden.
Steckbrief
Gattung: Rind (Bos)
Art: Hausrind
lateinischer Name: Bos taurus
Rasse: Rätisches Grauvieh
Ursprung:Alpentäler in Graubünden
Beginn der Züchtung:Kreuzungsprodukt der Völkerwanderung um das Jahr 500. Herdebuch seit 1985.
Gefährdungsstatus gemäss Bund: gefährdet
Masse
Kreuzbeinhöhe Kühe:140 bis 148 cm
Die Grösse der Kühe wird seit 2016 über die Kreuzbeinhöhe definiert, die rund 3 cm über dem Widerrist liegt.
Widerristhöhe Stier: 120 bis 128 cm
Gewicht: 350 bis 500 kg (Kuh), 500 bis 800 kg (Stier)
Typische äusserliche Merkmale
Ein kleine, leichte Rasse mit guter Bemuskelung. Das Fell ist einfarbig und kann verschiedenste Grautöne annehmen: Von fast weiss über Eisengrau, Silbergrau, Schiefergrau bis hin zu dunklem Grau. Behornt.
Leistungsdaten
Das Rätische Grauvieh ist eine Dreinutzungsrasse, die sowohl Milch als auch Fleisch liefert. Die Nutzung als Arbeitstier wird aktuell wieder neu erprobt.
Milchleistung (3 und mehr Standardlaktationen)
Leistung: 3610 kg Milch/Laktation
Fett: 3,72 %
Protein: 3,15 %
Mastleistung
Die Rasse verzeichnet gute Tageszunahmen und ergibt feinfaseriges Fleisch aus extensiver Fütterung.
Das zeichnet die Rasse aus
Das Rätische Grauvieh ist ideal für die Haltung im Berggebiet geeignet. Hangneigung bis zu 100 % machen der Rasse nichts aus. Die Rasse ist geländegängig, robust und kann das Futter von extensiven Alpweiden effizient verwerten.
Das Rätische Grauvieh ist frühreif, wobei allzu frühe erste Kalbungen – im Alter von knapp 1,5 Jahren – vermieden werden sollten. Die grauen Tiere führen nicht selten ein langes Leben und werden bis 15 oder sogar 20 Jahre alt .
Die Geschichte des Rätischen Grauviehs
Die Erhaltungszucht
Wer so alt ist wie das Rätische Grauvieh, hat schon einiges erlebt. Doch statt durch seine uralten Wurzeln verankert zu sein und sich dem Alter entsprechend ausruhen zu können, gilt die Rasse in der Schweiz heute als gefährdet.
ZüchterInnen setzen daher auf die Erhaltungszucht. Sie werden dabei finanziell unterstützt durch den Bund. Das heisst, jedes korrekt gemeldete Zuchttier erhält einen Beitrag.
Nebst diesen Prämien unterstützt das Bundesamt für Landwirtschaft ein Projekt, in dem seltene Blutlinien gesucht werden, um sie anschliessend durch gezielte Anpaarungen vor dem Aussterben zu bewahren. So soll einem wichtigen Ziel von Bund und ZüchterInnen nachgekommen werden: Die genetische Vielfalt der Schweizer Nutztiere zu erhalten.
Die Anfänge
Die Vorfahren des Rätischen Grauviehs können zurückverfolgt werden bis zu den grossen Völkerwanderungen um 300 bis 500 nach Christus. Damals rückten nomadische Stämme aus Zentralasien Richtung Europa vor, germanische Stämme aus dem Norden wanderten gegen Süden und das Römische Reich brach zusammen.
Zusammen mit den Menschen bewegten sich auch die Nutztiere. So gelangten die verschiedensten Rinder-Typen in die Alpen an der Grenze zwischen der Schweiz, Italien und Österreich. Durch Gebrauchskreuzungen entstand das Grauvieh – wobei auch hier wieder verschiedene Schläge entstanden. Schliesslich war die Viehwirtschaft in den unterschiedlichen Alpentälern oft isoliert und von anderen Tälern abgetrennt.
Am Albula-Pass im Engadin setzten die Bauern auf einen kleinen, leichten und besonders berggängigen Schlag. Die Rinder wurden als Zweinutzungsrasse (Milch- und Fleischproduktion) gezüchtet. Je nach Statur waren sie ausserdem beliebt als Arbeitstier.
Die Neu-Ansiedelung
In den grenznahen Bergtälern Österreichs und Italiens spielte sich Ähnliches ab und das Grauvieh etablierte sich auch dort. Ab und zu wurden Tiere hin- und hergetauscht – zu einer Zeit, in der noch nicht von geschlossenen Herdebüchern und Zuchtzielen die Rede war.
Dieser genetische Austausch sollte später die Rettung für das Rätische Grauvieh bedeuten: Als anfangs des letzten Jahrhunderts das Braunvieh in der Schweiz aufkam, verdrängte es mit seiner höheren Milchleistung das Grauvieh. Das Grauvieh wurde mit Braunvieh gekreuzt oder gleich ganz ersetzt – bis die grauen Rinder in der Schweiz ganz verschwanden.
In den 1980er-Jahren gelang es Pro Specie Rara in Zusammenarbeit mit ZüchterInnen, den ursprünglichen, kleinen Albula-Typ aus dem benachbarten Ausland zurückzuholen und wieder in der Schweiz anzusiedeln. Seit 1985 wird in der Schweiz also wieder ein Herdebuch für das Rätische Grauvieh geführt.
Heute leben rund 2'200 Rassetiere in der Schweiz, schätzt Franz Emmenegger, Präsident vom Verein Rätisches Grauvieh Schweiz RGS. Der RGS kümmert sich um die Erhaltung des Rätischen Grauviehs. Der Zuchtverein übernimmt die Zuchtleitung und wählt die Stiere für die künstliche Besamung aus.
Die Vielfalt der grauen Rinder
Neben der Rasse Rätisches Grauvieh gibt es in der Schweiz noch viele weitere Grauvieh-Rassen. Das bei uns bekannteste ist das Tiroler Grauvieh. Um diese verschiedenen Grauvieh-Rassen kümmern sich insgesamt drei Vereine:
- Der Verein Rätisches Grauvieh Schweiz RGS
- Der Schweizer Grauviehzuchtverein
- Der Rasseclub Grauvieh Schweiz
Bestandesentwicklung
In den letzten sechs Jahren sind die Herdebuchzahlen auf relativ tiefem Niveau geschwankt, bis sie zuletzt wieder bei knapp 800 Tieren lagen. Nebst den Zuchttieren gibt es etliche Tiere, die aus dem Herdebuch heraus verkauft wurden. Gesamthaft gebe es in der Schweiz rund 2'200 Rassetiere vom Rätischen Grauvieh, schätzt der Verein Rätisches Grauvieh Schweiz RGS.
Seit 2017 führt der Zuchtverband Braunvieh Schweiz das Herdebuch des Rätischen Grauviehs. Diese Herdebuchzahlen können nicht direkt mit den vorherigen Erhebungen durch den RGS verglichen werden, weshalb hier nur die Entwicklung seit der Umstellung dargestellt ist .
Links & Quellen
- Zuchtverein Rätisches Grauvieh Schweiz RGS
- Pro Specie Rara
- Mutterkuh Schweiz
- Bundesamt für Landwirtschaft: Tierzucht und tiergenetische Ressourcen
- Farbatlas Nutztierrassen. Hans Hinrich Sambraus. Ulmer Verlag, 8. Auflage 2016. ISBN 978-3-8001-1296-8
«die grüne»-Artikel:
- Buchbesprechung: «Rinder gesund halten» von Barbara Benz und anderen